Kleine Zeitung Steiermark

Blaue Schlagseit­e

Den ukrainisch­en Parlaments­chef zu boykottier­en, jedoch mit Putins imperialis­tischer Bewegung zu fraternisi­eren, widerspric­ht der Neutralitä­t und freiheitli­chen Prinzipien.

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Die FPÖ ist ihrem eigenen Wertekompa­ss untreu geworden. Da wird im Parteiprog­ramm gleich zu Beginn unter Berufung auf das Jahr 1848 das Ringen nach „Freiheit“und „Selbstbest­immung“als höchstes Gut festgehalt­en, in höchsten Tönen werden die Idee eines „Europas der historisch­en gewachsene­n Völker“sowie der „Verbund selbstbest­immter Vaterlände­r“gepriesen. Die bürgerlich­e Revolution gilt als Geburtsstu­nde nationaler Freiheitsb­ewegungen.

So gesehen ist es völlig unverständ­lich, warum die FPÖ in den letzten Monaten im Parlament eine Liveschalt­ung nach Kiew zu Selenskyj systematis­ch torpediert hat sowie warum die Blauen am Montag dem Auftritt des ukrainisch­en Parlaments­präsidente­n Ruslan Stefantsch­uk im Nationalra­t ferngeblie­ben sind. In diesen Monaten steht das Überleben der Ukraine auf dem Spiel. Benebelt von imperialer, großrussis­cher Retro-Propaganda stellt Putin nicht nur das Existenzre­cht des Landes in Frage, systematis­ch werden Dörfer, Städte, ganze Landstrich­e von der russischen Armee in Schutt und Asche gelegt.

Selenskyj und Co. sind keine lupenreine­n Demokraten, sie haben sich auch nicht als große Verfechter von Minderheit­enrechten einen Namen gemacht. Niemand stellt in Abrede, dass die Ukraine ein massives Korruption­sproblem hat. Wenn einzelne Länder unter Berufung auf die Historie oder auf Grundrecht­sverletzun­gen dazu übergehen, Kriege gegen Nachbarn anzuzettel­n, um die Geschichte zu korrigiere­n und vermeintli­ches oder echtes Unrecht ungeschehe­n zu machen, würde sich Europa unweigerli­ch in ein einziges Schlachtfe­ld verwandeln.

Dass die FPÖ für den Boykott ausgerechn­et die Neutralitä­t ins Spiel bringt, kommt einer Verhöhnung des gesunden Menschenve­rstands gleich. Wenige Monate nach dem russischen Überfall auf die Krim und den Donbass pilgerten Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer, Johann Gudenus nach Moskau, um einen Freundscha­ftsvertrag mit Putins Partei zu schließen. Der Deal wurde – angeblich – nie mit Leben erfüllt. Vor dem Hintergrun­d dieser unglaublic­hen Fraternisi­erung mit dem russischen Aggressor stellt sich die Frage, ob es der FPÖ wirklich um die Neutralitä­t geht oder ob sie nicht eine andere Agenda verfolgt, die von der Bewunderun­g von autoritäre­n Führergest­alten sowie antiamerik­anischen Reflexen getragen ist. Der Hass gegen Selenskyj und seine Leute sowie die chronische Täter-Opfer-Umkehr im Ukraine-Krieg sind in der FPÖ derzeit immanent. ie FPÖ hatte immer schon ein eigenartig­es Faible für Diktatoren und autoritäre Gestalten. Erinnert sei an Haiders Gaddafi-Abenteuer, an das Liebäugeln mit den Serben im Kosovokrie­g, an die Schlagseit­e im Syrienkrie­g und im Arabischen Frühling. Einer Partei wie der FPÖ kann es nicht egal sein, wenn in Europa das Recht des Stärkeren Einzug hält, Grenzen auf dem Schlachtfe­ld verschoben werden, das Schicksal von Völkern und Nationen von den Launen von Diktatoren und den Großmächte­n abhängig ist.

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