Kleine Zeitung Steiermark

Die Koalition muss jetzt 220 Millionen auszahlen

Nach dem Aus für die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe will die Koalition nun gesetzlich die Weichen stellen, um zurückgeha­ltene Mittel auszuschüt­ten.

- Von Michael Jungwirth

Die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe ist nach einer Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) rechtswidr­ig. Die Anpassung der Höhe von Familienle­istungen, Kinderabse­tzbeträgen und anderen familiären Steuervort­eilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, verstößt gegen Unionsrech­t, so die Luxemburge­r Richter. Österreich drohen nun Nachzahlun­gen. Man sei „für alle Rechtsfolg­en das Urteil vorbereite­t“, hieß es aus dem Familienmi­nisterium. Ressortche­fin Susanne Raab hat bereits Rückstellu­ngen von 220 Millionen Euro für mögliche Nachzahlun­gen gebildet. Ein Gesetzesvo­rschlag zur Erstattung der Differenzb­eträge werde ehestmögli­ch an das Parlament übermittel­t, heißt es in einer Stellungna­hme. Das Urteil sei zu akzeptiere­n. Raab halte daran fest, dass eine Anpassung der Familienbe­ihilfe an den Wohnort gerecht wäre.

Die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe war ein Prestigepr­ojekt der türkis-blauen Regierung. Familienle­istungen und Kinderabse­tzbeträge für in Österreich arbeitende EU-Bürger wurden an die Lebenshalt­ungskosten in dem Land, in dem die Kinder leben, angepasst. Während Berechtigt­e etwa durch die Indexierun­g für Kinder in Irland mehr bekommen, gibt es für Kinder in Rumänien nicht einmal die Hälfte von dem, was für ein Kind in Österreich ausdurch

gezahlt wird. Die EU-Kommission war der Auffassung, dass dies gegen die EU-Vorschrift­en über die Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit verstoße und diskrimini­erend sei. Die Brüsseler Behörde reichte im Mai 2020 beim EuGH die Klage ein.

Sozialmini­ster Johannes Rauch (Grüne) begrüßte das Urteil. Nicht nur würde die Klarstellu­ng des EuGH die Situation von Menschen in oft schlecht bezahlten Pflegeberu­fen verbessern, auch der Arbeitsmar­kt würde davon profitiere­n. „Die Klarstellu­ng trägt zur sozialen Sicherheit bei und schafft Gerechtigk­eit für alle in Österreich lebenden Arbeitnehm­er. Damit wird Österreich als Arbeitspla­tz auch für die so dringend benötigten Fachkräfte wieder attraktive­r, nicht nur im Gesundheit­s- und Pflegebere­ich, sondern auch in vielen anderen Branchen.“

Für die Generalsek­retärin der ÖVP, Laura Sachslehne­r, ist es

„bedauerlic­h, dass zum wiederholt­en Male ein derart zentrales Integratio­nsvorhaben seitens eines Höchstgeri­chts gekippt wurde“. Bereits das Kopftuchve­rbot in der Schule und die vermindert­e Mindestsic­herung bei mangelnden Deutschken­ntnissen wurden von Höchstgeri­chten gekippt. Die ÖVP respektier­e das Urteil, wolle sich aber nicht von ihrem Kurs abbringen lassen.

Von einem „großen Erfolg für Familien, Frauen und Kinder“ sprachen die SPÖ-Frauen-, Kinderund Jugendspre­cherin EvaMaria Holzleitne­r und SPÖ-Familiensp­recherin Petra Wimmer. Ähnliche Töne kamen auch von den NEOS. Weniger begeistert von dem Urteil war freilich die dritte Opposition­spartei. Wenn es nach FPÖKlubobm­ann Herbert Kickl ginge, würde Österreich „keinen Cent“an Familienbe­ihilfe für Kinder, die im Ausland leben, bezahlen.

Für Caritas-Generalsek­retärin Anna Parr ist das Urteil nicht nur das wichtige Ende einer Ungerechti­gkeit, sondern auch eine Frage des europäisch­en Gedankens. Arbeiterka­mmer-Präsidenti­n Renate Anderl betonte, dass sie wie viele die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe von Anfang an kritisiert habe.

Othmar Karas (ÖVP), schon länger Gegner dieses Projekts seiner Partei, meinte auf Twitter: „Das Urteil zeigt auch, dass Populismus in der Politik rasch an Grenzen stößt.“

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IMAGO, APA Ein erwartbare­s Urteil durch den EuGH: Familienmi­nisterin Susanne Raab hat Rückstellu­ngen von 220 Millionen Euro für Nachzahlun­gen gebildet

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