Kleine Zeitung Steiermark

„Abkürzung darf es keine geben“

Europamini­sterin Edtstadler kann sich Beitritt von Ukraine, Moldau, Georgien vorstellen – jedoch nicht auf Kosten des Balkans, wie sie betont.

- Von Michael Jungwirth

Die ÖVP unter Alois Mock war immer erweiterun­gsfreudig, jetzt hat man den Eindruck, dass die Volksparte­i Vorbehalte gegen die Ukraine hat. Warum? Aus Rücksicht auf Putin oder die FPÖ?

KAROLINE EDTSTADLER: Es gibt keine Vorbehalte. Die Ukraine braucht wahre Freunde, keine Märchenerz­ähler. Es ist unbestritt­en, dass die Ukraine ein europäisch­es Land ist und unsere Werte verteidigt. Aber es gibt keine Abkürzunge­n auf dem Weg in die EU. Es darf auch nicht zwei Klassen von Beitrittsw­erbern geben. Am Balkan warten manche Staaten schon seit Jahren auf den nächsten Schritt, etwa Albanien, Nordmazedo­nien, Kosovo.

Bosnien wartet immer noch auf einen Kandidaten­status und wird womöglich von der

Ukraine überholt. Wir dürfen nicht mit zweierlei Maß messen.

Sollte die Kommission heute der Ukraine den Kandidaten­status einzuräume­n, würde sich Österreich beim Gipfel nächste Woche dagegen querlegen?

Wenn die Kommission grünes Licht für einen Kandidaten­status geben sollte, werden wir dem nicht im Weg stehen. Nur kann ich mir ein eindeutige­s grünes Licht, was die Erfüllung aller Bedingunge­n betrifft, noch nicht vorstellen. Wir brauchen ein Gleichzieh­en mit dem Westbalkan, es geht da auch um die Sicherheit Europas. Wir müssen ein Zeichen am Westbalkan setzen, denn sonst verlieren wir die Region gänzlich. Es reicht dort ein Streichhol­z, um einen Flächenbra­nd auszulösen.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Ukraine hat einen Antrag auf Beitritt gestellt, und es ist gut und richtig, dass man der Ukraine diese Aufmerksam­keit schenkt. Das Land kämpft einen Kampf für unsere Werte. Es bekam innerhalb von drei Monaten eine Antwort auf den Antrag. Bosnien hat drei Jahren darauf gewartet.

Es ist eine Notsituati­on?

Das stelle ich nicht in Abrede, man darf nicht unfair werden.

Nochmals: Wird die Ukraine aus österreich­ischer Sicht eines Tages der EU beitreten? Oder muss sie mit dem Vorhof vorliebneh­men? Es geht um die Vollmitgli­edschaft – so wie es den Ländern des Westbalkan­s um die Vollmitgli­edschaft geht. Der Weg dorthin ist ein steiniger.

Ist das Problem am Westbalkan wirklich, dass die EU zu zögerlich ist? Ist es nicht vielmehr so, dass die Länder zu wenig ambitionie­rt sind?

Bei Albanien und Nordmazedo­nien hat die EU ihre Verspreche­n nicht gehalten. Seit 2020 hat es keine einzige Runde gegeben bei Nordmazedo­nien, weil Bulgarien die Gespräche blockiert hat. Wenn nichts weitergeht, dürfen wir uns nicht wundern, wenn das zu Depression­en führt und die Staaten sich abwenden. Wir brauchen

eine schnellere, graduelle Integratio­n.

einem

Ja. Wenn die Länder zum Beispiel im Bildungsbe­reich Fortschrit­te erzielen, sollten die Menschen das spüren und man sollte den jungen Menschen dort etwa Erasmus ermögliche­n. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie bei informelle­n Treffen der Innen- und Justizmini­ster dabei sind, wenn sie in diesen Bereichen entspreche­nde Fortschrit­te erzielt haben. uns nichts Schlimmere­s passieren, als dass sich Länder auf den Weg nach Europa machen.

ist

die

Vollmitgli­edschaft?

Das Ziel ist die Vollmitgli­edschaft. Es geht nicht darum, dass man Alternativ­en schafft. Wir müssen den Prozess kreativer gestalten.

Noch einmal: Kann sich Österreich die Vollmitgli­edschaft von Moldau und Georgien in der Europäisch­en Union vorstellen?

Das hängt davon ab, ob sie die Bedingunge­n erfüllen. Allerdings gibt es auch ein weiteres Fragezeich­en, und das ist die zeitliche Komponente.

QR-Code scannen für mehr Bilder vom Besuch von Scholz, Macron und Draghi in der Ukraine.

 ?? APA/AFP ?? In Kiew sprachen sich Draghi, Scholz, Macron und Iohannis für einen „sofortigen“EU-Kandidaten­status der Ukraine aus
APA/AFP In Kiew sprachen sich Draghi, Scholz, Macron und Iohannis für einen „sofortigen“EU-Kandidaten­status der Ukraine aus
 ?? APA ?? Gegen Sonderstat­us für Ukraine: Edtstadler
Ist es fair, dass die Ukraine für die Versäumnis­se der Europäer am Westbalkan bestraft wird?
APA Gegen Sonderstat­us für Ukraine: Edtstadler Ist es fair, dass die Ukraine für die Versäumnis­se der Europäer am Westbalkan bestraft wird?
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