„Sie fordern das Teure, aber kaufen das Billigere“
Das wahre Tierwohl-Volksbegehren finde täglich vor den Regalen statt, meint der frisch wiedergewählte Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger. Der Vorarlberger pendelt zwischen Stall und Wien und ärgert sich über „fehlenden Hausv
Täglich im Stall und im Flieger?
Ich bin leidenschaftlicher Viehzüchter und Praktiker und will drei- bis viermal pro Woche mit den Kühen oder am Hof arbeiten. Immer mehr Wege erledige ich mit dem Zug, auch weil mit der Pandemie Flüge gestrichen wurden.
Nein, überhaupt nicht. Die explodierenden Energiekosten schlagen von der Urproduktion über Verarbeitung, Transport und Verpackung voll durch. Nur: Der Handel nimmt sich vom Preis weg, was ihm passt, die Verarbeitung, was sie braucht und mit dem Rest soll sich der Bauer begnügen – dieser Rest ist zuletzt gesunken. Nur noch mickrige 17 Prozent des Verkaufspreises gehen im Schnitt an die Bauern, die die meiste Arbeit haben. Diese Zitrone wird weiter ausgepresst.
Aber wer profitiert dann? Die, die jetzt vom gestiegenen Getreidepreis profitieren, sind großteils nicht die Bauern, weil die haben ihre Ernte schon im Vorjahr verkauft und die nächste kommt erst. Dafür mussten sie aber massiv in Vorleistung gehen, weil vom Dünger bis zum Diesel alles teurer wurde. Dadurch müssen wir alles tun, um Bauern überhaupt in der Produktion zu halten. Sonst wird auch Versorgungssicherheit vernichtet.
Es ist eine Unterstützung, die sich nach Fläche und Tieranzahl richtet – ohne komplizierte Antragstellung. Es geht darum, dass die Betriebe ihre Kosten stemmen können. Uns geht es jetzt darum, das Versorgen und das Vorsorgen sicherzustellen. Ein leeres Lager hilft niemandem und wenn man ständig dem Billigsten nachrennt, führt das auch irgendwann in eine Abhängigkeit von ausländischer Ware wie beim Gas.
Es ist nicht immer ein Wunschkonzert, was produziert werden kann. Wir haben klimatisch-topografische Voraussetzungen. Man kann am Berg keinen Acker für Gurken anlegen. Von meiner Heimat Vorarlberg bis in die Steiermark wächst im Berggebiet fast nur Gras. Und die einzigen, die daraus Lebensmittel machen können, sind Wiederkäuer und nicht Touristen oder sonst wer. Wir sollten nicht so viel jammern, dass wir von irgendwas zu viel haben, sondern stolz darauf sein, unsere Bevölkerung noch weitgehend unabhängig versorgen zu können. Auch die Vielfalt bei Spezialkulturen ist zuletzt gewachsen.
So weit wie bei deutschen Kollegen, die Spargel einackern, weil die Ernte teurer ist als der Verkaufspreis, ist es bei uns zum Glück noch nicht.
Nicht jeder Kühlschrank, der in eine Straßenecke gestellt wurde, ist ein Geschäftsmodell. Ich bin überzeugt, dass Direktvermarkter, die das professionell betreiben und sich durch enge Beziehungen
Stammkunden aufgebaut haben, auch jetzt stabil bleiben.
Mit dem Anti-Teuerungs-Paket entlastet die Regierung nun auch gezielt jene Menschen, denen wichtiges Geld durch die Inflation fehlt. Es soll keinen Grund geben, auf regionale Lebensmittel verzichten zu müssen. Aber wir müssen auch darüber reden, dass für viele Kundenschichten alles, was Spaß macht, wichtiger ist als das Essen. Man spart beim Essen, um sich anderes leisten zu können. Das System ist falsch.
Vom Bauern will man einen immer höheren Standard, aber weniger dafür zahlen. Wir sind sofort zu höheren Standards bereit, wenn diese Mehrleistungen abgegolten werden. Was nicht geht, ist, was aktuell viele tun: Sie fordern das Teure und kaufen das Billigere. Das führt dazu, dass die Ställe leer bleiben, das Getreide gleich so am Markt verkauft und billiges Fleisch importiert wird. Es reicht nicht, ein TierwohlVolksbegehren zu unterschreiben, um ein gutes Gefühl zu haben - aber beim Einkauf nichts zu verändern. Das wahre Volksbegehren gibt’s täglich vor dem Regal.
Ich würde mir mehr Ehrlichkeit wünschen. Dass der Handel auch sagt, wie viel Prozent Anteil am gesamten Fleischverkauf das ausmacht. Wir haben das Angebot, es gibt Wartelisten von
Bauern, die gerne bei Tierwohl-Programmen mitmachen wollen. Wenn man ehrlich ist, läuft die Menge noch immer über den Preis.
Wir werfen sicher nicht unser Umweltprogramm über Bord. Aber was mir fehlt, ist Hausverstand. Zu sagen: Ich will unabhängige, regionale Versorgung von Lebensmitteln bis Energie, aber gleichzeitig zu fordern, dass Flächen außer Nutzung gestellt, Dünger und Pflanzenschutz bis zu 50 Prozent reduziert werden – das geht nicht zusammen, das versteht der einfachste Bauer. Nur Brüssel will es nicht kapieren. Schade auch, dass sich unser Agrarkommissar hier nicht durchsetzen kann.
Es wird den Wolf in Europa geben, da kann da und dort auch eine kleine Region in den Alpen dabei sein. Aber wenn wir unser Kulturland sichern wollen, muss es möglich sein, dass Wölfe, die Schaden anrichten entnommen werden. Warum kommen so viele Gäste zu uns? Nicht, weil es hier so „schirch“ist. Nur wird es das bei völliger Narrenfreiheit für den Wolf nicht geben. Die Bauern werden sich nicht an der Nase herumführen lassen. Dass sie die Arbeit haben, den Schaden und die Sauerei nach Rissen haben und sich von denen traktieren lassen müssen, die nichts tun und weit weg leben.
Dass Lebensmittel und Versorgung jetzt stärker ins Bewusstsein rücken, darf schon Mut machen. Aber viele Bäuerinnen und Bauern fühlen sich durch immer lauteres Wunschdenken der Gesellschaft ins Eck gedrängt. Vieles wird madig gemacht. Dabei ist Wertschätzung mindestens ebenso wichtig wie der Preis.