Liebe auf den zweiten Blick
Er oder sie liebt mich ... oder nicht. Onlinedating eröffnet Begegnungsräume. Das letzte Wort hat nicht das Blumenorakel, sondern das Treffen im echten Leben.
Heute haben viele ein Konto bei Tinder, Parship, Lovoo oder Facebook Dating. Seit der ungewollten Corona-Isolation auch viele ganz junge Menschen. Bei Johanna und Walter ist es 20 Jahre her, dass sie sich via love.at kennenlernten. Damals war Onlinedating noch nicht so üblich. Die beiden hielten die Umstände ihrer Begegnung manchen gegenüber bis zur Hochzeit geheim.
Der Bruder wusste Bescheid. Was er nicht wusste, war, dass andere es nicht wussten. Nach seiner Rede waren alle im Bilde. „Es war fast ein Eklat“, lacht Johanna heute. Damals stockte ihr der Atem angesichts der entgleisten Mienen älterer Verwandter.
Freunde hatten ihrem Walter damals geraten, es mal mit Onlinedating zu probieren. Bei Johanna war’s der Bruder. Es klappte fast auf Anhieb. Was die beiden heute witzig finden: Sie hatten das gleiche Stammlokal, teils sogar gemeinsame Bekannte. Aber im echten Leben hatten sie einander nicht bemerkt.
Christine und Martin fanden über Parship zueinander. Christine war überwältigt angesichts des enormen Echos. Und enttäuscht, als sie merkte, dass so mancher in mehreren Gewässern fischte und sich gar nicht die Mühe machte, den Text abzuwandeln. Christine und eine Freundin hatten sich nämlich gleichzeitig registriert. Und bekamen wortidente Angebote!
Ein Blick hinter die Kulissen liefert die Erklärung: Nicht anders als im echten Leben, warten Frauen meist darauf, dass Männer den ersten Schritt tun. Und Männer müssen die Angel zuweilen schon sehr oft auswerfen, bis eine Frau anbeißt und ein „Match“erfolgt, dem ein Date folgen könnte. Kein Wunder, dass viele nicht schon bei jedem ersten Wurf den aufwendigsten Köder an den Haken stecken.
Für Christine lag in der Kürze die Würze: Mit einem knappen Hallo hatte sich Martin gemeldet, und mit wenigen Worten ihre Neugier geweckt. Es funkte wähdoch rend seines kostenlosen Drei-Tage-Probeaccounts. Andere müssen ein ganzes Jahr zahlen, auch wenn sich die oder der Liebste schon nach Kurzem findet.
Bei Parship oder ElitePartner werden gute Suchfunktionen nur gegen Bezahlung geboten. Andere Plattformen sind gratis. In diesem Fall gilt nicht: Nur was etwas kostet, ist was wert. Es ist eher eine Frage des Glücks, der eigenen Lockerheit, des günstigen Augenblicks, der darüber entscheidet, ob der Richtige dabei ist.
ihren Harald im letzten März auf Lovoo kennengelernt, „und ich bin überglücklich“. Sie hat zuvor mehrere Plattformen probiert. In einem ist sie sich mit fast allen, die mit mir ihre Erfahrungen teilen, einig: Nach einer, spätestens zwei Wochen Kennenlernen im Chat ist es immer Zeit, sich zu sehen. „Oft ist dir einer wahnsinnig sympathisch, aber wenn du ihn triffst, merkst du, das passt nicht.“
Wie geht man zueinander wieder auf Distanz? „Das ist gar nicht so schwierig, wenn du es richtig angehst“, sagt Johanna. Zum Beispiel? „Triff dich beim ersten Mal nie am Abend, sondern immer tagsüber, zum Essen oder sogar nur zum Kaffee. Dann kommst du schnell weg.“
Manches ist weniger lustig, etwa wenn sich herausstellt, dass man Energie in ein Fake-Profil investiert hat oder der Mann zehn Jahre älter ist als angegeben.
Oder wenn er unmissverständlich erkennen lässt, dass er an der Frau interessiert ist, aber nicht an den Kindern. Oder nur an raschem Sex. „Wenigstens weiß man gleich, woran man ist“, sagt Claudia.
Schwieriger war es für sie, Männern höflich eine Absage zu erteilen, die nicht ihren Erwartungen an das Bildungsniveau entsprachen. „Ich habe einen Akademiker gesucht, und dann kamen auch Lkw-Fahrer und Bauarbeiter. Die waren ja nett, aber sie waren nicht an den Gesprächen interessiert, die ich gesucht habe. Warum melden sich die?“
Man lernt: Die magische Altersgrenze gibt es auch beim Onlinedating. Männer geben ihr Alter ungern über 50 an. Ein oder zwei Jahre weniger im Altersprofil bedeuten für einen 51-jährigen
Mann eine ungleich höhere Chance auf Erstkontakte. Frauen wissen: Ab 40 fallen sie für viele Männer aus dem Raster. Repariert muss die kleine Notlüge dann halt rasch werden, große Lügen werden nicht verziehen.
Nora und Roland sind schon ein „altes“Paar: Auch sie haben sich im Netz kennengelernt, vor mittlerweile 18 Jahren. Seit zehn Jahren sind sie verheiratet. „Ich bin damals mit 29 aus einer Beziehung rausgekickt worden. Ich wollte heiraten, Kinder kriegen, auf einmal war alles dahin. Am Abend weggehen und mich anbraten zu lassen, das hat mich nicht gereizt.“
Das Onlinedating war dann auch mühsam. Eigentlich wollte sie schon aufgeben, die letzten Mails schaute sie sich noch an. „Und dann war da mein heutiger Mann dabei. Er war jünger, als ich wollte, und kleiner, und nicht der dunkle Typ, den ich im Auge hatte, aber er hat so lustig geschrieben, und sich mit einem Foto mit Glatze vom Tuntenball selbst auf die Schaufel genommen. Das war mir sympathisch, dem gab ich eine Chance!“
Aus der Chance wurde Liebe, geheiratet wurde in Griechenland, und heuer reisen die beiden mit dem zehnjährigen Sohn wieder nach Santorin, wo sie einst gemeinsam auf Eseln in den siebten Himmel ritten, Nora schon mit dem Baby im Bauch.
Viele ganz Junge sind heute auf Tinder, gleichzeitig heißt es, auf Tinder werde eher das schnelle Abenteuer gesucht. Kann sein, muss nicht sein. Valentina und Gisela, Nina und Tina fanden ihre Partner fürs Leben bei Tinder.
Katharina und Roland kamen über Facebook Dating zusammen, im Jänner 2021. Es war mitten im Lockdown, erinnert sich Katharina. „Ich hab’ Zeit gehabt, und neugierig war ich auch!“
Ihr Roland war einer der Ersten, die sich meldeten. Über ein paar Wochen hinweg hatten sie nur sporadisch Kontakt, aber lustig war’s immer. Später kamen die stundenlangen Gespräche, die Nähe. Katharina leidet an Multipler Sklerose, das hat sie ihm gleich gesagt, „alles mit offenen Karten“. Kein Thema für ihn, seit gut einem Jahr schreiten sie gemeinsam durchs Leben. Im Herbst wollen sie zusammenziehen. „Das ist unsere ganz persönliche Liebesgeschichte, die ohne Facebook nicht möglich gewesen wäre!“