Kleine Zeitung Steiermark

„Die europäisch­e Politik hat extrem viel verschlafe­n“

Aufsichtsr­atschef Hans Jörg Kaltenbrun­ner übergibt am Freitag das Zepter bei der ams-Osram AG. Warum der Rekord-Kauf weder von Jagdinstin­kt noch von Euphorie getragen war und Größe kein Selbstzwec­k ist.

- Von Manfred Neuper und Markus Zottler

Sie waren 1994 erstmals im Aufsichtsr­at der damaligen Austria Mikro Systeme AG vertreten. Damals wurde mit 650 Beschäftig­ten zum ersten Mal die Umsatzschw­elle von einer Milliarde Schilling durchbroch­en. Mittlerwei­le setzt die heutige ams-Osram AG mit 24.000 Mitarbeite­rn mehr als fünf Milliarden Euro um. Beeindruck­en Sie solche Zahlen in der Rückschau?

HANS JÖRG KALTENBRUN­NER:

Der Umsatz selbst ist eine Indikation, wie sich der Markt in der Halbleiter­ei insgesamt entwickelt hat. Aber er ist auch eine Indikation, wie sich die Struktur verändert hat. Sie ist ein globales, enorm kapitalint­ensives Geschäft geworden. Die Einheiten wurden größer, das ist an sich ein gutes Zeichen einer reifer werdenden Industrie. Die ams hatte zwei Möglichkei­ten. Entweder man wird Teil von irgendetwa­s – oder man ist mit genug Selbstvert­rauen tätig und sagt, mir ist meine Unabhängig­keit so wichtig, dass ich es aus eigenem Antrieb schaffe. Die Beibehaltu­ng der Eigenständ­igkeit war immer ein hohes Ziel.

Denken Sie sich in emotionale­n Momenten manchmal, erstaunlic­h, was daraus geworden ist?

Es ist gut, dass wir es waren, die in unserem Bereich der Industrie diese Entwicklun­g vorangeein­gependelt. trieben haben. Aber das stellt man sich nicht als besondere Errungensc­haft aufs Nachtkastl.

Es ist sicher einer mit Wehmut, es gibt ja auch eine besondere Verbundenh­eit mit dem Unternehme­n. Auf der anderen Seite ist es ein Privileg, die Entscheidu­ng selbst treffen zu können. Es ist eine gute Zeit für den Wechsel. Für neue Perspektiv­en, neue Ideen.

Die Halbleiter-Branche ist global besonders stark vernetzt. Kann sich ams Osram da überhaupt noch als österreich­isches Unternehme­n verstehen?

Die Bedeutung des Standortes in der Steiermark ist nicht hoch genug einzuschät­zen. Die Welt miteingebu­nden zu haben, ist aber eine Notwendigk­eit dieser Industrie.

Stand es eigentlich nach der Osram-Übernahme zur Diskussion, die Zentrale zu verlagern? München statt Premstätte­n?

Die Frage war nie Premstätte­n oder München. Die Situation war immer, Premstätte­n und München als „Head Office“. Der Konzern beschäftig­t 24.000 Leute. Durch die Größe ist Arbeitstei­lung erforderli­ch. Das hat sich meines Erachtens gut Der Personalst­and in Premstätte­n ist seit der Übernahme sogar leicht gewachsen und wir haben derzeit auch mehr als 50 unbesetzte Positionen.

Befürchtun­gen, dass die Übernahme von Osram den Standort schwächen könnte, haben sich nicht bewahrheit­et?

Ganz im Gegenteil. Es hat nicht zu einer Schwächung beigetrage­n. Wir bauen die Produktion in Premstätte­n weiter aus, haben beschlosse­n, einen Teil der Filter-Fertigung aus Asien zurück zu verlagern, um es konzentrie­rt an einem Standort zu haben. Premstätte­n profitiert von der neuen Größe.

Die Übernahme von Osram war mit 4,6 Milliarden Euro die größte, die ein österreich­isches Unternehme­n je stemmte. Und sie war eine Hochschaub­ahn. Hatten Sie zwi

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AMS/LANGUSCH Ist Ihr Abschied dennoch einer mit Wehmut?

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