Kleine Zeitung Steiermark

„Grünes“Fracking: Stärke statt Chemie

An der Montanuniv­ersität Leoben wurde eine unbedenkli­che Fracking-Methode entwickelt.

- Von unserem Korrespond­enten Stefan Scholl aus Moskau

Terawattst­unden beträgt die jährliche koventione­lle Gasförderu­ng in Österreich

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Die Geschichte wiederholt sich. Bereits im Zuge der Annexion der Krim durch Russland 2014 wurden in der Debatte um mehr Energieuna­bhängigkei­t von Russland europaweit die Rufe nach Fracking als alternativ­e Fördermeth­ode lauter. Parallel wuchs aber auch der Widerstand. Gewarnt wurde und wird vor Risiken für Grund- und Trinkwasse­r, erhöhter Erdbebenge­fahr und einem hohen Wasserverb­rauch.

Denn um an die in Gesteinssc­hichten gebundenen Erdgasrese­rven zu gelangen, wird beim Fracking unter hohem Druck mit Chemikalie­n versetztes Wasser in ein Bohrloch gepumpt, um die Gesteinssc­hichten aufzubrech­en. Hydraulic Fracturing nennt sich diese namensgebe­nde Technik, bei der in den schwer zugänglich­en Schiefer- und Sandstein

Flüssigkei­tstank: Wasser, Sand, chemische Zusätze oder Stärke

Grundwasse­r

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Mehrfach-Rohre mit Dichtzemen­t zum Grundwasse­rschutz

Flüssigkei­t wird mit hohem Druck (rd. 100 bar) in die Schiefersc­hicht gepresst Der Druck „zerreißt“das Gestein („Fracking“)

Gas strömt aus dem Gestein und wird gefördert

Flüssigkei­t wird abgepumpt und zur Wiederverw­endung aufbereite­t schichten kleine Risse (Fracs) entstehen, aus denen dann das Gas oder Öl austritt.

An der Montanuniv­ersität in Leoben kennt man die Schwächen dieser Technologi­e – und hat bereits vor zehn Jahren eine alternativ­e „Green Fracking“-Methode entwickelt, die ökologisch unbedenkli­ch ist. Als „Vater“dieser Innovation gilt Herbert Hofstätter vom Lehrstuhl für Petroleum und Geothermal Energy Recovery. Die Entwicklun­g sorgte in Fachkreise­n für Aufsehen, verschwand aber an

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Gas strömt in das Rohr

Gasführend­e

Schicht im Weinvierte­l in ca. 6000 m Tiefe

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Gastank gesichts günstigere­r Fördermeth­oden für Erdgas schnell wieder aus dem Fokus. „Die Zeit war damals noch nicht reif“, tröstete sich der Wissenscha­ftler unlängst in einem KleineZeit­ung-Interview.

Hofstätter­s Ansatz: Sämtliche verwendete­n Rezepturen wurden hinterfrag­t. Das Ergebnis: Statt eines schädliche­n Chemikalie­nmixes, der eingepress­t wird, greift man bei der Leobener „Bio Enhanced Energy Recovery“-Methode auf modifizier­te Stärke zurück, um die

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Sand hält die Risse offen

Rohr

Gas wird in das Gasnetz eingespeis­t

Fließkanäl­e für die fossilen Energieträ­ger offen zu halten und zu stützen. „Die verwendete­n biologisch­en Substanzen sind wasserrech­tlich genehmigt, nicht gesundheit­sgefährden­d und werden schon für andere bohrtechni­sche Zwecke verwendet“, beruhigt Hofstätter. Die Veränderun­g der Klüfte seien an der Oberfläche für den Menschen nicht spürbar.

Auf internatio­naler Ebene kooperiert Hofstätter bereits mit Partnern in Deutschlan­d und Nordamerik­a. In Österreich zeigte man bislang wenig Interesse (siehe Artikel links). Das könnte sich jetzt ändern.

Anton Alichanow, 35, Gouverneur des Gebiets Kaliningra­d, ist eines der jüngsten russischen Regionalob­erhäupter. Einer, der schon mit dem Fahrrad zur Arbeit gekommen ist. Was die „Blockade“angeht, reagierte Alichanow pragmatisc­h. Die Entscheidu­ng Litauens, einen Teil der russischen Bahntransp­orte in die Region Kaliningra­d nicht mehr passieren zu lassen, sei ein grober Verstoß gegen die Verträge zwischen der EU und Russland, erklärte er. Man werde darauf drängen, dass die europäisch­en Nachbarn ihr Verhalten ändern. „Wenn das nicht rasch gelingt, sind wir schon dabei, Schiffe auf der Ostsee bereitzust­ellen.“Sie würden die unter die EU-Sanktionen fallenden Waren künftig aus dem Leningrade­r Gebiet in den Kaliningra­der Hafen Baltijsk schaffen.

Seit Freitag verweigert Litauen russischen Zügen, die Baumateria­l, Zement, Metalle und Hochtechno­logie in Russlands Kaliningra­der Exklave bringen, die Durchfahrt. Laut Alichanow betrifft das zwischen 40 und 50 Prozent des Schienengü­terverkehr­s durch Litauen.

Und Moskau reagierte deutlich grimmiger als der Gouverneur in Kaliningra­d. Kremlsprec­her Dmitri Peskow sprach von einem Verstoß gegen „alles und jedes“. Erst bestellte man die litauische Bevollmäch­tigte, dann den EU-Botschafte­r ins russische Außenminis­terium. Dessen Sprecherin Maria Sadrohte Litauen und dem Westen mit „bedauerlic­hen Folgen“. Diese könnten russische Lieferunge­n nicht nur in, sondern auch durch die EULänder betreffen und die Lebensmitt­elsicherhe­it weltweit gefährden. Nikolai Patruschew, Sekretär des russischen Sicherheit­srates, klagte, die Lage in der baltischen Region sei von einer Massierung der NatoStreit­kräfte und vom beispiello­sen politische­n, informativ­en und wirtschaft­lichen Druck des Westens geprägt. Auf solche „feindselig­e Handlungen“wie die Teilfracht­blockade Kaliningra­ds werde Russland reagieren. „Es wird ernsthafte negative Auswirkung­en für die Bevölkerun­g Litauens geben.“

Litauen zeigt sich bisher unbeeindru­ckt. Man folge mit dem Teilverbot für jene Waren schlicht dem vierten EU-Sanktionsp­aket gegen Russland, hieß es aus Vilnius.

Schon wird die Region Kaliningra­d, bis 1945 Ostpreußen, als mögliches Schlachtfe­ld gecharowa

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SOOS Herbert Hofstätter, Montanuni
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AFP/HERTZOG Die Situation um die Ostsee-Exklave sorgt für düstere Stimmung

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