Hörabenteuer einst und jetzt
Zeitgenössisches aus der Ukraine, Avantgardistisches von 1830 und eine grandiose Cellistin im Musikverein.
Die Zugabe war fast das Beste: Harriet Krijgh interpretierte die Sarabande aus Bachs Cellosuite Nr. 1 als aus der Stille geborene, elegante Grübelei. Krijgh hatte auch in Camille Saint-Saëns’ Cellokonzert Nr. 1 Hochkarätiges am Kasten. Schmalzfrei und akkurat, schlank und nachdrücklich entfaltete die Niederländerin dessen Klangkosmos.
Rund um dieses exzellente Gastspiel sorgten die Dirigentin Oksana Lyniv und die Grazer Philharmoniker bei den Konzerten im Stefaniensaal (das zweite wurde live auf Ö 1 übertragen) für weitere intensive Kapitel. Etwa mit dem Stück, das der ukrainische Komponist Zoltan Almashi ganz aktuell für das zerbombte
Mariupol geschrieben hat: Das mit einer elegischen Bratschenmelodie anhebende „Maria’s City“ist ein ästhetisch rückwärtsgewandtes, aber nichtsdestotrotz eindringliches Stück musikalischer Trauerarbeit, das die Philharmoniker klangschön aufbereiteten.
Am Ende gab es noch ein Treffen mit der echten Avantgarde, allerdings mit der von Paris im Jahre 1830: Hector Berlioz’ Symphonie fantastique wurde dank Lyniv und dem in Hochform befindlichen Orchester zum Hörabenteuer. Natürlich: Manche Triolen verblassten, manche Begleitfigur könnte noch mehr federn, und die (extremen) dynamischen Angaben von Berlioz’ wurden eher als Empfehlung genommen. Aber: Was hier zwischen existenzieller Tragik und kontrollierter musikalischer Gewalttätigkeit geboten wurde, war streckenweise atemberaubend. Das Finale blitzte und gleißte, grölte und dröhnte, und Lyniv brachte das Kunststück zuwege, dem Hexentanz noch Anmut beizubringen.