Kleine Zeitung Steiermark

Gespenster der Vergangenh­eit

- Martin Gasser

Gestern wurde der Nannen Preis vergeben. Nur dass er heuer Stern Preis heißt. Der deutsche Journalism­usPreis ist nach Henri Nannen benannt: Der 1996 verstorben­e Gründer des Magazins „Stern“gilt als einer der bedeutends­ten Journalist­en der Bundesrepu­blik. Ein Mann, der mit dem „Stern“Geschichte schrieb, ein streitlust­iger Macher, ein Journalist nach alter Fasson.

Nannens Bild hat schon oft Risse erhalten, vor allem, weil er bei der Waffen-SS war. Als Mitglied der Propaganda­truppe „Südstern“hat er wohl antisemiti­sche Hetze verfasst. Seine Verstricku­ngen in den braunen Sumpf sind längst bekannt, schon in den 1970ern hatte Nannen eine Kompagnie „Stern“-Reporter ausgesende­t, um die Vorwürfe zu prüfen.

Seit der NDR letzten Monat Erzeugniss­e von „Südstern“ausfindig gemacht hat, wird Nannen wieder zum Prüfstein für die deutsche Öffentlich­keit. Wie mit einem verdienten und geachteten Mann umgehen, dessen Biografie solche Schweinere­ien beinhaltet? er Preis wurde vorsorglic­h umbenannt, vielleicht wird auch die NannenSchu­le bald folgen. Das ist keine Cancel Culture, sondern ein Nachbeben: Nach dem Krieg war man lässig bei der „Vergangenh­eitsbewält­igung“gewesen. Jetzt kann man derlei nicht mehr als „Jugendsünd­e“wegreden. Eine Erkenntnis, die mindestens 70 Jahre zu spät kommt.

D

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