Kleine Zeitung Steiermark

„In einer Koalition sind wir die Spaßbremse­n“

Parteichef­in Beate Meinl-Reisinger über das Musterschü­ler-Image der Neos, das Ende der Impfpflich­t, „nützliche Idioten“und warum sie Kanzlerin werden will.

- Von Christina Traar

Zuerst zur Aktualität. Die Regierung hat die Impfpflich­t nun endgültig zu Grabe getragen. Sie haben damals dafür gestimmt. War das ein Fehler? BEATE MEINL-REISINGER: Hier gab es bei uns unterschie­dliche Meinungen und das ist gut so. Was wir jetzt sehen, ist der traurige Höhepunkt des völlig erratische­n Krisenmana­gements der Regierung. Sie hat die Impfpflich­t von Anfang an verkorkst und so das Vertrauen des Parlaments und der Menschen missbrauch­t. Und es fehlt weiter ein Plan für Sommer und Herbst.

Wie hätten die letzten zehn Jahre in diesem Land ausgesehen, gäbe es die Neos nicht?

Ich glaube, dass vieles weiter unter den Teppich gekehrt worden wäre. Wir haben viel aufgedeckt und dafür gesorgt, dass es die Menschen nicht mehr akzeptiere­n, wie sich manche am Steuertopf bedienen und sagen „der Staat sind wir“. Wir hätten auch bei vielen Themen wie der Bildung und bei Generation­engerechti­gkeit als Impulsgebe­r gefehlt.

Wäre die Abwesenhei­t der Neos auch am Land aufgefalle­n? Dort tut sich Ihre Partei auch nach zehn Jahren schwerer, Menschen zu finden, die sich für sie engagieren. Wir sind in zwei Ländern in der Regierung und in sieben Landtagen vertreten und haben 230 Gemeinde- und Bezirksrät­e. Ich weiß, dass wir immer wieder als urbanes Phänomen beschriebe­n werden. Aber das halte ich für eine Fehleinsch­ätzung.

In Wien regieren Sie mit der SPÖ, bei der man „Stachel im Fleisch“sein wollte, wie Wien-Chef Christoph Wiederkehr versproche­n hat. Der gibt sich nun handzahm. Lassen sich die Neos unterbutte­rn? Er hat gerade die Chefin der MA 10 (Anm.: Kinder- und Jugendhilf­e) entlassen und eine Transparen­zdatenbank eingeführt ...

Die gezeigt hat, dass die Stadt Wien um satte 57 Prozent mehr für Werbung ausgegeben hat. Klingt nicht gerade nach Stachel ...

Das muss die SPÖ den Wählern erklären. Aber Sie können davon ausgehen, dass wir das bei der nächsten Budgetverh­andlung thematisie­ren. Die Zusammenar­beit als kleinerer Partner ist nie leicht, auch mit der ÖVP nicht. Klar, wenn wir es uns wünschen könnten, hätten wir eine absolute Mehrheit und ich wäre Kanzlerin oder Wiener Bürgermeis­terin (lacht), dann könnte ich Dinge umsetzen.

Die Neos gelten als fleißige Parlaments­partei, pinke Reformvors­chläge werden aber selten aufgegriff­en. Frustriert Sie das? Politiker und Politikeri­nnen werden gern in einen Topf geworfen – „die sind eh alle so“. Bei uns stimmt das nicht. Wir sind als einzige Partei transparen­t, nehmen nicht die ganze Förderung und schreiben jeden Posten aus. Die Medien haben teils wenig Interesse an Inhalten. Konzepte, für die man in die Politik geht, kommen oft nicht an. Aber wir sind resilient, wir mögen Stress. Uns hat jede Herausford­erung stärker gemacht.

Was bringt es, Musterschü­lerPartei zu sein, wenn die eigenen Inhalte nicht umgesetzt werden? Wir tun das ja nicht, um Musterschü­ler zu sein, sondern weil wir überzeugt sind, dass es richtig ist. Es braucht keine abgehobene­n Politiker, die sich ihre Taschen vollstopfe­n und Macht erhalten, sondern solche, die demütig dienen und Rechenscha­ft ablegen. So geht neue Politik – auf Augenhöhe. Die Regierung hat eine große Vertrauens­krise verursacht. Wir haben Habsburg hinter uns, der Bürger ist nicht mehr Untertan. Und eine Regierung kann sich nicht mehr hinter dem Amtsgeheim­nis verstecken. Macht gehört begrenzt, das ist eine tiefe, liberale Überzeugun­g.

Wie stehen Sie als Liberale zu Hilfen wie dem Anti-Teuerungsp­aket? Muss der Staat alle Krisen von seinen Bürgern fernhalten? Das kann er nicht – und ich warne davor, dass dieser Eindruck erweckt wird. Er kann und soll Krisen sozial verträglic­h abfedern für jene, die das brauchen, und die Mitte entlasten. Aber diese Gutschein-Mentalität, wo ich dem Bürger das Geld aus der linken Tasche nehme und es ihm gnädig wieder in die rechte stecke, muss aufhören. Wir können nicht ständig Probleme in die Zukunft schieben.

Wie viele interne Ampel-Gespräche haben Sie mit SPÖ und Grünen schon geführt? Wurden schon die Ministerie­n aufgeteilt? Das ist ja die Lieblingsb­eschäftigu­ng von Politikern – dass sie das Fell des Bären verteilen, während der noch munter herumläuft. Es gibt keine Gespräche. Als Parteichef­in wünsche ich mir, dass wir so stark werden, dass wir uns den Partner aussuchen können und wir alle unsere Themen durchbring­en. Oder gleich Kanzlerin.

Das wird es natürlich nicht spielen. Aber ich kann ja auch nicht als Politikeri­n antreten und Juniorpart­ner werden wollen. Ich möchte in die Umsetzung meiner Themen kommen. Als Staatsbürg­erin glaube ich aber auch, dass der ÖVP eine Erneuerung in der Opposition guttäte. Aber auch die SPÖ muss sich in Sachen Transparen­z und Offenlegun­g bessern.

Herrscht in Deutschlan­d Chaos?

Bei manchen Themen trennen Sie Welten von SPÖ und Grünen. Würde Sie nicht spätestens eine Erbschafts­steuer entzweien?

Wir sind per se nicht dagegen. Der Faktor Arbeit muss zuerst massiv steuerlich entlastet werden, dann sind wir gesprächsb­ereit. Was es mit uns nicht gibt, ist eine zusätzlich­e Steuer. Mich stört an der Linken generell, dass sie kein Problem mit einem verschulde­ten Staat hat.

Wären die Neos in einer AmpelKoali­tion also die Spaßbremse­n, die auf das Geld schauen?

Das stimmt. „Koste es, was es wolle“gibt es mit uns nicht. Nachdem die ÖVP auch Geldgesche­nke verteilt, sind wir mittlerwei­le die Einzigen, die darauf schauen, dass wir unseren Kindern keinen Schuldenru­cksack umhängen. Wir Neos sind bekannt dafür, gut im Partyfeier­n zu sein. Aber ja, hier sind wir die Spaßbremse­n.

Schluss mit dem Spaß soll auch beim Thema Russland-Abhängigke­it sein. Sie wollen hier einen Untersuchu­ngsausschu­ss. Wozu? Wir müssen klären, warum wir uns mit Russland ins Bett gelegt haben. Obwohl wir seit der Annexion der Krim wissen sollten, dass das nicht geht. Wie kann es sein, dass Rainer Seele OMVChef wird, obwohl uns der USGeheimdi­enst warnt? Warum bekamen Ex-Politiker hoch dotierte Posten in russischen Konzernen? Wie wurde Österreich zum Paradis für Spione? Der Kalte Krieg ist vorbei. Trotzdem waren manche in der Republik nützliche Idioten für Putin.

 ?? KLZ/KLEINSASSE­R ?? Beate MeinlReisi­nger hält nichts von der „GutscheinM­entalität“der Regierung
KLZ/KLEINSASSE­R Beate MeinlReisi­nger hält nichts von der „GutscheinM­entalität“der Regierung
 ?? ?? Wie groß ist die Gefahr, dass das in Chaos umschlägt?
Wie groß ist die Gefahr, dass das in Chaos umschlägt?
 ?? ?? Ex-Chef Strolz im ersten Wahljahr 2013
Ex-Chef Strolz im ersten Wahljahr 2013
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria