Kleine Zeitung Steiermark

„Wir haben alles getan, jetzt ist die EU am Zug“

Warten auf Godot – so sah sich der Westbalkan beim EU-Gipfel. Ukraine und Moldau sind nun Kandidaten, „Perspektiv­e“für Georgien.

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel

Der vorgelager­te Westbalkan-Gipfel dauerte länger als gedacht, säuerliche Mienen am „Familienfo­to“und schließlic­h die Absage der geplanten Balkan-Pressekonf­erenz mit Kommission­schefin Ursula von der Leyen und Ratspräsid­ent Charles Michel – es war unschwer zu erkennen, dass der Auftakt des EU-Sommergipf­els in Brüssel nicht unbedingt nach Drehbuch verlief.

Schließlic­h wurde das Treffen dann doch ein „historisch­es“– die EU gewährte der Ukraine und Moldau den Status als Beitrittsk­andidaten, Georgien bekommt die „Beitrittsp­erspektive“. Die 27 Staats- und Regierungs­chefs der Mitgliedsl­änder trafen den Beschluss einstimmig, kurz davor hatte sich auch noch das EU-Parlament dafür ausgesproc­hen. „Georgiens Zukunft liegt in der EU“, so der EU-Ratschef. Ursula von der Leyen kommentier­te: „Heute ist ein guter Tag für Europa.“Die Länder seien Teil der europäisch­en Familie. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde live

und bedankte sich für die Unterstütz­ung.

Das Signal an die Ukraine – und gleichzeit­ig an Russland – kam in Rekordzeit zustande und brachte Verwerfung­en an ganz anderer Stelle hervor. Die Länder des Westbalkan­s sitzen schon seitvielen Jahren im Wartezimme­r und wollen nun endlich auch weiterkomm­en. Es mutet paradox an, dass genau das auch im Sinne der EU ist und dennoch der Prozess auch mit dem Gipfel kaum weitergeko­mmen ist. Zumindest das Ende des Visumzwang­s für den Kosovo und der Kandidaten­status für BosnienHer­zegowina schienen nun möglich zu sein. Tatsächlic­h verzögerte sich der Ablauf dann gegen Abend beträchtli­ch, weil noch um Bosnien gerungen wurde. Dabei ging es um die Systematik des Verfahrens, die für die Ukraine anders ausgelegt wird. Bosnien-Herzegowin­a könne heuer noch den offizielle­n EUBeitritt­skandidate­nstatus bekommen, wenn es wichtige Wahlrechts- und Verfassung­sreformen umsetze, sagte Bun

Wir warten nicht mehr länger auf Godot. Und dass ein

Nato-Land zwei andere als Geiseln nimmt, ist eine

Schande.

Edi Rama, Albanien deskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach den Beratungen. Er sprach von einem „Paradigmen­wechsel“. Es sei gelungen, Bosnien „wieder in den Fokus zurückzube­kommen.“

Doch zu viele Stolperste­ine liegen noch auf dem Weg, einer davon heißt Bulgarien. Das EUund Nato-Land, dessen Regierung erst am Vorabend des Gipfels durch einen Misstrauen­santrag zu Fall gebracht wurde, blockiert den Beginn der Beitrittsv­erhandlung­en mit Nordmazedo­nien. In den Jahren davor hatten unter anderem Griechenla­nd, Frankreich und die Niederland­e Fortschrit­te blockiert. Die EU-Staaten wollen gleichzeit­ig mit Nordmazedo­nien und Albanien die Gespräche eröffnen, somit hängen die Schicksale beider Länder zusammen. Und nun gibt es ausgerechn­et wegen der EU-Erzugescha­ltet weiterung eine innenpolit­ische Krise in Bulgarien, die alles lähmt. „Solange das Parlament nicht entschiede­n hat, bleibt die bulgarisch­e Position unveränder­t“, musste der proeuropäi­sche Regierungs­chef Kiril Petkow in Brüssel bekennen.

Die Regierungs­chefs von Albanien (Edi Rama), Nordmazedo­nien (Dimitar Kovacˇevsk­i) und Serbien (Aleksandar Vucˇic´) setzten ihre eigene Pressekonf­erenz an und sparten nicht mit kräftigen Worten. „Wir dürfen nicht ein bilaterale­s Problem zu einem allgemeine­n machen“, befand Kovacˇevsk­i: „Wir haben so viel getan – jetzt ist es Zeit für die EU, ihre Versprechu­ngen einzulösen.“Edi Rama sagte mit Sarkasmus in der Stimme, die EU tue ihm leid; die Vertreter des Westbalkan­s hätten jeweils nur drei Minuten Redezeit gehabt, da hätten „30 Sekunden auf Telegram auch

Wir dürfen nicht mit

zweierlei Maß messen. Das ist ein Gebot der Fairness und eine Frage der Glaubwürdi­gkeit.

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