Ein untaugliches Instrument
Um einen Lockdown für Menschen, die sich brav impfen ließen, verträglicher zu machen, wurde die Impfpflicht erfunden. Doch sie hat den angestrebten Zweck nie erfüllt.
Es war kein schneller Tod: 217 Tage nachdem die damalige Regierungsspitze mit den Landeshauptleuten in einer nächtlichen Sitzung den Beschluss fasste; 155 Tage nachdem das Gesetz im Parlament beschlossen wurde; 107 Tage nachdem sie vorübergehend ausgesetzt wurde und 31 Tage nachdem sie erneut verschoben wurde, wird die allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus endgültig begraben. Nach sieben Monaten wurde das umstrittene Instrument endgültig als untauglich klassifiziert.
Die Erkenntnis kommt spät und wohl nicht ganz zufällig vor anstehenden Landtagswahlen. Warum erst jetzt? Der Verweis auf die Virusmutationen greift zu kurz. Schon im Jänner, als die Impfpflicht auch mit Stimmen von SPÖ und Neos im Parlament beschlossen wurde, dominierte in Österreich die Omikron-Variante, deren Verbreitung sich auch durch eine hohe Durchimpfungsrate nicht aufhalten ließ. Die Notbremse hätte man schon damals ziehen müssen.
Wenige Tage nachdem sie in Kraft war, rückten dann schon die ersten Landeshauptleute und sogar der Bundeskanzler von der Impfpflicht ab. Der Kapitalfehler geschah aber schon vergangenen November. Erinnern wir uns: Rund zwei Drittel aller Menschen waren geimpft und die Delta-Variante machte viele Menschen so krank, dass sie im Spital behandelt werden mussten. Für Geimpfte sei die Pandemie vorbei, hatte der damalige ÖVP-Klubobmann Sebastian Kurz noch als Kanzler versprochen. Das Virus wütete davon unbeeindruckt.
Ein landesweiter Lockdown sollte kurzzeitige Entspannung verschaffen – obwohl das den Bruch eines politischen Versprechens bedeutete. Als Gegenleistung sollten alle Ungeimpften per Gesetz zur Impfung verpflichtet werden. Die Bestrafungslogik ging nicht auf. Das Gegeneinander-Ausspielen von Gruppen – die braven Geimpften hier, die ungeimpften Abweichler da – mag beim
Gewinnen von Wahlen helfen. Wer aber ein gemeinsinnliches, solidarisches Handeln einfordern will, bewirkt damit das Gegenteil. Das Begräbnis der Impfpflicht ist auch das Eingeständnis: Sie hat niemanden, der es nicht ohnehin vorhatte, dazu gebracht, sich impfen zu lassen. Im Gegenteil – sie hat die Gräben vertieft.
Das Begräbnis der Impfpflicht ist auch das Eingeständnis, dass die Pandemie sich nicht beenden lässt. Man kann ihr aber die Zähne ziehen – wenn möglichst viele Menschen geimpft sind. Auch wenn sie sich und andere anstecken können, liegen Menschen mit regelmäßig aufgefrischtem Impfschutz nämlich viel seltener im Spital. ie internationale Datenlage dazu ist eindeutig – die heimische aber immer noch löchrig. Das Corona-Register, das auflistet, wer an und wer mit Corona starb und wer davon geimpft war, wird nur lückenhaft befüllt. Das muss sich schleunigst ändern. Denn, um Regeln auszuverhandeln, braucht eine Gesellschaft eine Faktengrundlage mehr als moralisierende Strafandrohungen.
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