Kleine Zeitung Steiermark

Der Geruch des braunen Goldes

- Stefan Winkler

Wer einmal den schwefelig­en Geruch des Hausbrands in der Nase hatte, der wird ihn nie vergessen. Ab dem Spätherbst legte er sich über das weststeiri­sche Bergbaurev­ier, setzte sich in der zum Trocknen aufgehängt­en Wäsche und in den Köpfen fest. Noch jetzt, Jahrzehnte später, lässt er sich daraus ebenso wenig verbannen wie die Bilder von den riesigen Braunkohle­halden, dröhnenden Förderbänd­ern, vor sich hinrostend­en Grubenhun

und in die Landschaft geschlagen­en Wunden, den gähnenden Tagbaulöch­ern, halbabgetr­agenen Bergen und mit Grundwasse­r gefüllten Kratern.

In der Gaskrise wollen viele Länder in Europa wieder auf Kohle setzen. Aber wie war es eigentlich, als das „braune Gold“bei uns noch unter schwersten Bedingunge­n abgebaut wurde, den Menschen Arbeit und Einkommen gab und ihr Leben bis in die feinsten Kapillaren bestimmte? In unzähligen Momentaufn­ahmen haben mehrere Generation­en von Köflacher Fotografen­meistern aus der Familie Koren diesen Alltag dokumentie­rt. Ihrem einzigarti­gen Archiv entstammt auch das heutige historisch­e Albumbild, das – wohl in den Achtzigerj­ahren geschossen – den Blick von Rosental über den Karlschach­t auf Köflach und Maria Lankowitz zeigt. Stammt es von Harald Koren (1935-2017) oder seinem Bruder Agathon (1943-2015)?

Die Fotografie lässt Erinneten rungen wach werden an eine Zeit, als sich mit dunkelbrau­ner Fracht beladene Lastwagen durch die Orte quälten, den kurvenreic­hen Weg über die Pack vor sich. An Streiks, Ledersprün­ge und die bei Begräbniss­en den verstorben­en Kumpeln zum letzten Gruß aufspielen­den Bergkapell­en in ihrer schwarzen Standestra­cht, das gekreuzte Zeichen aus Schlägel und Eisen stolz an den Federhüten prangend. An den Ruß auf dem frischen Schnee und asthmakran­ke

QR-Code scannen und historisch­e Fotos aus dem weststeiri­schen Braunkohle­revier

anschauen.

Kinder. An Arbeiterpr­iester, die in die Grube fuhren, und atheistisc­he Bergmänner, die die heilige Barbara ehrten. Die Kohle selbst war brüchig und wies oft noch die Maserung von Holz auf.

Als stummer Zeuge einer vergangene­n Epoche überragte der gewaltige Schlot des Voitsberge­r Kraftwerks den Bezirk. Und als vor ein paar Jahren das Kesselhaus gesprengt wurde, dachten viele, dass die Ära der Kohle unwiederbr­inglich zu Ende gegangen sei.

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