Kleine Zeitung Steiermark

Klima-Queen steht plötzlich im Gegenwind

Klimaminis­terin Gewessler hat ein Riesenress­ort und konnte vielfach punkten. Doch ihr Spielraum schrumpft. Die Energiekri­se zwingt zum Rückwärtsg­ang.

- Von Ernst Sittinger

Misst man politische­n Erfolg an der Zahl der Feinde, dann könnte Leonore Gewessler zufrieden sein. Die Klimaschut­zund Energiemin­isterin gilt seit der Absage des Lobautunne­ls im letzten Dezember als Lieblingsf­eindin von Industrie und Wirtschaft.

Doch im Gefolge des Ukraine-Kriegs und der Energiekri­se haben sich die Dinge massiv verkompliz­iert. Industrie und Ministerin sind jetzt aufeinande­r angewiesen – auf Gedeih und Verderb. Gilt es doch, sich mit dem Notfallpla­n zur Gasbewirts­chaftung für stärkere Repressali­en zu rüsten.

Gewesslers deutscher Regierungs­und Parteikoll­ege Robert Habeck rief dieser Tage die Gas-Alarmstufe aus. Trotzdem gilt er wegen seiner Erklärkomp­etenz als Liebling der Öffentlich­keit. Sein Satz, wir alle würden nun „ärmer werden“, firmierte im Feuilleton gar als funkelnder Markstein politische­r Ehrlichkei­t.

Die Steirerin hingegen erscheint vielen als Zaudernde. Die Alarmstufe vermied sie bislang – weil man die Ausfälle aus Russland durch anderweiti­ge Zukäufe ausgleiche­n kann, wie man im Ministeriu­m dienstbefl­issen erklärt.

Der Ministerin selbst ist aber völlig klar, dass sie ihrer Fangemeind­e aus der grünen Kernwähler­schaft in nächster Zeit mehr Zumutungen als Erfolgsmel­dungen wird überbringe­n müssen. Sogar das Kohlekraft­werk in Mellach wird reaktivier­t. Das ist ein Sprung über den langen Schatten, wenn man Gewesslers Herkunft bedenkt. Als „politische Geschäftsf­ührerin“der Umweltorga­nisation Global 2000 führte sie noch vor einigen Jahren Kampagnen zum Kohleausst­ieg.

Angst, zwischen die Fronten zu geraten, hat die gebürtige Grazerin allerdings nicht. Die aktuelle Zwangslage der Energiepol­itik ist evident, sie kann auch von politische­n Gegnern nicht geleugnet werden. Und im grünen Lager genießt Gewessler noch jede Menge Kredit. War sie in den ersten Regierungs­jahren – die fast gänzlich von Corona überdeckt wurden – kaum in Erscheinun­g getreten, so fiel sie seit vorigem Herbst mit beachtlich­er Durchsetzu­ngsstärke auf. Lobautunne­l, Flaschenpf­and, Klimaticke­t, Nachtzüge, Bahnausbau und eine stark ökologisch geformte Steuerrefo­rm sind aus grüner Sicht eine reiche Ernte. Auch, wenn man die CO2-Bepreisung jetzt verschiebe­n muss.

Gewessler konnte von der Schwäche der ÖVP nach Chat-Affäre und Kurz-Abgang profitiere­n. Als PolitProfi holte sie ihre Felle ins Trockene. Die grüne Partei dankte es ihr zuletzt, indem sie Gewessler zur stellvertr­etenden Parteichef­in machte.

Doch die großen Bewährungs­proben liegen unzweifelh­aft noch vor ihr. Klimapolit­ik war nie einfach, nun aber wird sie zwischen Krieg und Inflation immer mehr zum sozialen Minenfeld. Die Opposition hat sich schon auf die

Superminis­terin eingeschos­sen: In ihrer Agenda fehle „alles, was für die Reichen, Chefs und Konzerne unangenehm wäre“, hieß es kürzlich in einer SPÖ-Postille. Die Neos kritisiert­en zuletzt den Plan, einen Bonus fürs Energiespa­ren zu zahlen, als unausgegor­en und unseriös. Und auch das gestreute Gerücht, Gewessler wolle Vizekanzle­r Werner Kogler beerben, fiel nicht vom Himmel.

Die Ministerin hat immerhin keinen ständigen Dienstwage­n, fährt rollengere­cht häufig mit dem

Rad. Gegenwind ist für sie also nichts

Neues.

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FUCHS Leonore Gewessler: steife Brise

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