Mädchen wachsen damit auf, zu sehen, dass sich Frauen um Hilfebedürftige kümmern, ohne wertgeschätzt zu werden.
Menschen, die keine Lust haben zu gendern und sich gerne über Sternchen und Doppelpunkte mokieren, höre ich oft sagen: „Haben wir keine anderen Probleme?“Doch, haben wir. Aber abgesehen davon, dass sich Probleme selten der Reihe nach anstellen und sich lieber gleichzeitig aufdrängen, hängen unsere „echten“Probleme sehr eng mit der fehlenden Geschlechtergerechtigkeit zusammen.
Die Nachrichten der vergangenen Woche: gravierender Personalmangel in den Krankenhäusern, in Seniorenheimen, Schulen, Kindergärten. Viele Ältere gehen in Pension, zu wenig Jüngere kommen nach, viele sind schon seit Jahren überlastet und einigen hat die Pandemie nun endgültig den Garaus gemacht. Hinzu kommt die fehlende Wertschätzung, unter der vor allem Pflegefachkräfte leiden. Das Klatschen von den Balkons während des ersten Lockdowns ist längst verhallt.
Was hat das mit der Benachteiligung von Frauen zu tun? Sehr viel. Das sind alles Berufe mit einem hohen Anteil weiblicher Beschäftigter. Mit der „Entwertungsthese“beschreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Phänomen, dass die Löhne sinken, wenn der Frauenanteil in einer Branche auf mehr als 60 Prozent steigt. Sie „entwerten“Berufe also, wie zahlreiche Langzeitstudien in westlichen Ländern belegen.
Das hat viele Gründe. Einer liegt in der einfachen Formel: Je weiblicher eine Branche ist, desto weniger Lobby hat sie. Fakt ist, dass – bei allen Erfolgen der Emanzipationsbewegung – an den wichtigsten Schalthebeln, an den größten Geldtöpfen immer noch hauptsächlich Männer sitzen und die Welt deuten. In dieser Welt übernimmt mehr Verantwortung, wer zehn Büroangestellte führt, als wer sich um das Wohlergehen von zehn Pflegebedürftigen oder zehn Kleinkindern sorgt. Deshalb können Pflegepersonal, Elementarpädagoginnen und -pädagogen noch so laut demonstrieren gehen und den Notstand beschwören, ohne dass sich etwas bewegt. ine Reihe weicherer, sozialpsychologischer Ursachen spielt ebenfalls eine Rolle bei dieser Entwertung. So halten sich Frauen oftmals bei Gehaltsverhandlungen zurück, weil sie einkalkulieren, dass sie
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