Warum... müssen wir mit weniger auskommen, Herr Beiglböck?
Sechs Jahre leitete er die steirische Caritas. Jetzt geht Herbert Beiglböck in Pension. Hier spricht er über die Krisenzeiten, Wohlstandsverlust und die Zukunft der Kirche.
Herr Beiglböck, was taugt das jüngste Hilfspaket der Regierung für jene, die in der Teuerung ihr Leben kaum meistern können? HERBERT BEIGLBÖCK: Klima, Corona und jetzt der Krieg – die Krisen häufen sich. Wir müssen von einer beträchtlichen Wohlstandseinbuße ausgehen, allerdings auf hohem Niveau. Der Verlust ist zumutbar, wir stürzen nicht ins Bodenlose. Aber er muss gerecht verteilt werden. Nicht die Armen, die Starken sollen die Hauptlast tragen.
Tun sie das nicht ohnehin? Statistiken zeigen, dass die Vermögenden in der Krise ihr Vermögen erhöht haben. Die Teuerung trägt die Masse. Die jüngsten Maßnahmen sind eine Matte, die den Absturz abfedert. Auf Dauer müssen wir wissen, dass es nachhaltige Maßnahmen braucht, die jenen, die ihr Leben am letzten Zacken gestalten, Spielraum geben. Da verschiebt sich etwas. Das spüren wir im Augenblick sehr stark.
Wo spüren Sie es?
Bei der Existenzberatung. Die Leute sind stark verschuldet, die Wohnung ist zu teuer, das Einkommen zu gering. Die Anfragen häufen sich, wo Leute sagen: „Das geht sich nicht aus. Könnt ihr uns helfen, dass wir nicht delogiert werden?“Am stärksten spüren wir es bei den Lebensmitteln. Wir haben in der Steiermark in den letzten Jahren eine Tonne Lebensmittel pro Tag ausgegeben. Jetzt liegen wir bei knapp eineinhalb Tonnen.
Wir versuchen noch immer, mit ein paar Geld-zurück-Paketen so zu tun, als ob alles so weitergehen könne wie bisher. Das ist ein Trugbild. Wir werden bescheidener werden müssen, trotzdem wird gutes Leben möglich sein.
Wo denn?
Für manche waren vier Urlaube im Jahr selbstverständlich. Das werden wir reduzieren müssen. Wir werden überlegen müssen, was wir wirklich brauchen. Wir haben in der Pandemie erlebt, dass es auch mit weniger geht.
Manche Selbstverständlichkeiten werden sich so nicht mehr darstellen lassen. Das wird für manche ein härterer Aufprall. Aber die Frage wird nicht sein, ob, sondern wie wir zur Einfachheit fähig sind. Wir sind ohne Alternative. Wir verteilen aktuell mehr, als wir haben.
Das gehört zu meinen größeren Sorgen. Dass Leute sich betrogen fühlen. Das gab es mehrfach. Dass Feindbilder geschaffen werden und wir nicht mehr fähig sind, für uns neue, unverständliche Positionen so zu bearbeiten, dass wir nicht in Widerstand und Wut abgleiten. Ich war in der Friedensbewegung und in der Hainburger Au. Bei allen Verletzungen hatten wir da immer die Situation, dass wir mehr Dialogpunkte hatten. Wir hatten immer einzelne Personen, die Brücken gebaut haben. Das vermisse ich schmerzhaft.