Kleine Zeitung Steiermark

Warum... müssen wir mit weniger auskommen, Herr Beiglböck?

Sechs Jahre leitete er die steirische Caritas. Jetzt geht Herbert Beiglböck in Pension. Hier spricht er über die Krisenzeit­en, Wohlstands­verlust und die Zukunft der Kirche.

- Von Hubert Patterer und Stefan Winkler

Herr Beiglböck, was taugt das jüngste Hilfspaket der Regierung für jene, die in der Teuerung ihr Leben kaum meistern können? HERBERT BEIGLBÖCK: Klima, Corona und jetzt der Krieg – die Krisen häufen sich. Wir müssen von einer beträchtli­chen Wohlstands­einbuße ausgehen, allerdings auf hohem Niveau. Der Verlust ist zumutbar, wir stürzen nicht ins Bodenlose. Aber er muss gerecht verteilt werden. Nicht die Armen, die Starken sollen die Hauptlast tragen.

Tun sie das nicht ohnehin? Statistike­n zeigen, dass die Vermögende­n in der Krise ihr Vermögen erhöht haben. Die Teuerung trägt die Masse. Die jüngsten Maßnahmen sind eine Matte, die den Absturz abfedert. Auf Dauer müssen wir wissen, dass es nachhaltig­e Maßnahmen braucht, die jenen, die ihr Leben am letzten Zacken gestalten, Spielraum geben. Da verschiebt sich etwas. Das spüren wir im Augenblick sehr stark.

Wo spüren Sie es?

Bei der Existenzbe­ratung. Die Leute sind stark verschulde­t, die Wohnung ist zu teuer, das Einkommen zu gering. Die Anfragen häufen sich, wo Leute sagen: „Das geht sich nicht aus. Könnt ihr uns helfen, dass wir nicht delogiert werden?“Am stärksten spüren wir es bei den Lebensmitt­eln. Wir haben in der Steiermark in den letzten Jahren eine Tonne Lebensmitt­el pro Tag ausgegeben. Jetzt liegen wir bei knapp eineinhalb Tonnen.

Wir versuchen noch immer, mit ein paar Geld-zurück-Paketen so zu tun, als ob alles so weitergehe­n könne wie bisher. Das ist ein Trugbild. Wir werden bescheiden­er werden müssen, trotzdem wird gutes Leben möglich sein.

Wo denn?

Für manche waren vier Urlaube im Jahr selbstvers­tändlich. Das werden wir reduzieren müssen. Wir werden überlegen müssen, was wir wirklich brauchen. Wir haben in der Pandemie erlebt, dass es auch mit weniger geht.

Manche Selbstvers­tändlichke­iten werden sich so nicht mehr darstellen lassen. Das wird für manche ein härterer Aufprall. Aber die Frage wird nicht sein, ob, sondern wie wir zur Einfachhei­t fähig sind. Wir sind ohne Alternativ­e. Wir verteilen aktuell mehr, als wir haben.

Das gehört zu meinen größeren Sorgen. Dass Leute sich betrogen fühlen. Das gab es mehrfach. Dass Feindbilde­r geschaffen werden und wir nicht mehr fähig sind, für uns neue, unverständ­liche Positionen so zu bearbeiten, dass wir nicht in Widerstand und Wut abgleiten. Ich war in der Friedensbe­wegung und in der Hainburger Au. Bei allen Verletzung­en hatten wir da immer die Situation, dass wir mehr Dialogpunk­te hatten. Wir hatten immer einzelne Personen, die Brücken gebaut haben. Das vermisse ich schmerzhaf­t.

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