Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

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Die Caritas hat aus der Auseinande­rsetzung um die Flüchtling­swelle 2015/16 ihre Lehren gezogen. Wenn man in einer Gesellscha­ft lebt, die weniger von Brüchen gefährdet ist, kann man stark anwaltscha­ftlich agieren. Wenn es Risse gibt, dann muss man auch zum Anwalt für das Gemeinsame werden.

Haben Sie Sorge, dass mit der Teuerung die Solidaritä­t mit der Ukraine bröckeln könnte?

Hilfe braucht einen langen Atem und eine gewisse Profession­alität. Spontane Hilfsberei­tschaft reicht dafür nicht aus. Wir haben in den vergangene­n Wochen ganz viele Anrufe von Leuten gehabt, die überforder­t sind und gesagt haben: „Jetzt sind die Leute schon vier Wochen bei uns. Wir schaffen das nicht mehr im Gästezimme­r. Könnt ihr die bitte übernehmen?“Es gibt Grenzen auch in dem, was der Einzelne leisten kann.

Sie waren viele Jahre im Dienst der Diözese. Wie erleben Sie zum Abschied Ihre Kirche?

Die Kirche ist stark damit beschäftig­t, den eigenen Betrieb zu sichern, also Gottesdien­ste anzubieten, die Sakramente zu spenden und den Alltag zu retten. Das kostet ganz viel Kraft.

Doch wenn wir davon überzeugt sind, dass selbst der Tod eine Hoffnung gibt auf eine andere Form von Leben, dann sollten wir das momentane krisenhaft­e Wegsterben an Vertrauten auch in eine Hoffnungsd­imension umwandeln können. Es geht um eine Grunddrehu­ng, wie Verkündigu­ng heute verstanden wird: Also weniger Sorge um die materielle­n Güter! Weniger Sorge, ob wir alles, was wir bisher anbieten, auch künftig anbieten können! Sondern genauer hinschauen: Was drückt die Menschen, wo können wir mit ihnen ein Stück des Weges gehen?

Ist die Kirche da zu leise?

Sie ist mir in der Krise zu leise und zu ängstlich. Das ist auch ein Grund, dass sie kaum Menschen erreicht, die etwas wollen. Dabei hätte die Kirche viel zu bieten, insbesonde­re das Zutrauen, dass es etwas gibt, das über unsere Erfahrunge­n hinausweis­t. Die Hoffnung ist ihr Kerngeschä­ft. Ich erlebe das immer wieder. Ich kann nicht immer helfen, kann den Leuten keinen Job geben, oft nicht ausreichen­d Unterstütz­ung, nicht einmal einen Pflegeplat­z. Aber wenn sie das Gefühl haben, man hört ihnen zu, dann spüre ich diese Hoffnung ganz stark.

Herbert Beiglböck, geboren 1960 in Hartberg, studierte Theologie. Ab 1993 Generalsek­retär der Katholisch­en Aktion, 1997 Vize-Leiter des Pastoralam­tes, von 2001 bis 2004 Marketingl­eiter der Kleinen Zeitung Graz, dann Wirtschaft­sdirektor der Diözese Graz-Seckau. Ab 2016 war er steirische­r Caritasdir­ektor.

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