Was vom Hauch des Doppeladlers blieb
Einst galt Judendorf-Straßengel als bekannter Kurort in der Monarchie. Schon Jahrhunderte vorher wurde die Kirche auf dem Berg zu einer der großen Wallfahrtsstätten. Ein Ort, dem es gelang, die alte Identität in die heutige Zeit zu retten.
„Kirchlein am Berg von Straßengel“, wie es in einem Lied heißt, das Großmutter im hohen Alter gerne hörte. Ein Spaziergang zwischen Verklärung und heutiger Realität, auf dem uns der Grazer Stadthistoriker Karl Kubinzky begleitet.
„Die Kombination der Namen von Judendorf und Straßengel ist ja an und für sich schon bemerkenswert“, merkt Kubinzky an, schlüsselt die Entwicklung der beiden Orte auf: „Die Anfänge der zum Stift Rein gehörenden Kirche Maria Straßengel reichen mit dem Bau einer
Kapelle in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Für diese hochgotische Kirche, die nach dem Vorbild des Wiener Stephansdoms errichtet worden sein soll und die zu den bedeutendsten sakralen Bauwerken dieser Zeit in Österreich zählt, legte man den Grundstein 1346“, erzählt der Historiker. Die Kirche, die man auch liebevoll „kleiner Stephansdom“nannte, entwickelte sich noch vor Mariazell zu einem Anziehungspunkt für Pilger und dürfte die älteste Wallfahrtsstätte der Steiermark sein. Von Graz aus gingen
Wallfahrten vom heutigen Dom aus über die Minoriten, den Kalvarienberg nach Straßengel. „Wallfahrten waren eine Kombination von Religiosität und sozialen Kontakten“, ergänzt Kubinzky, „man traf die Nachbarn, kam mit neuen Leuten zusammen.“
Die Wurzeln von Judendorf gehen in das Jahr 1147, als eine Siedlung von Juden bei Straßengel erstmals urkundlich Erwähnung findet. An diesem Punkt der Handelsroute siedelten sich jüdische Händler an, noch bevor sich Juden in Graz niederließen.