Vom Geschmack der Freiheit
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Institut für Philosophie TU Dresden A ls Paulus den Galatern diesen Brief schrieb, schlug er einen bis dahin unerhörten Ton an. Damals vor Damaskus war er von der Stimme Jesu zu Boden gerissen worden und drei Tage lang blind; sein Schmerz war fast tödlich. Aber dann wurde es wunderbar. Denn dem Fanatiker war „das Gesetz“von den Schultern genommen: die peinliche Einhaltung kleinster alltäglicher Vorschriften… Vor dieser Stimme zersprang alles. Aus lauter Sollen und Sich-Zwingen und Müssen wurde Saulus hingeschleudert – auf das einzige Gesetz: Liebt einander! Klingt einfach, ist es natürlich nicht. Kann man Liebe befehlen?
Aber Lieben im Sinne
Jesu ist: allen das Leben gönnen, tief und warm, klug und menschlich. Also den Panzer des eigenen Ego aufmachen. Das Ego heißt „Fleisch“, es ist selbstbezogen, berechnend, verbissen. Können wir es wirklich auftun? Wir nicht. Aber der Geist kann es. Pneuma ist der göttliche Atem. Heiß, lebendig, frei – der Atem Christi.
Paulus ließ sich davon umwerfen; danach wurde er mehrfach ausgepeitscht, eingekerkert, einmal gesteinigt, erlitt Schiffbruch, kam nur mit dem nackten Leben davon. Dennoch hätte er nie mehr sein Leben mit dem vorigen getauscht. Denn was ist Selbstzwang gegen den Geschmack der Freiheit Christi: sich auftun. Anderen, sich selbst, ihm.