Kleine Zeitung Steiermark

Wie erzählt man vom Ende der Welt?

Endzeitsze­narien, Anthropozä­n, Klimakatas­trophe: Am letzten Lesetag herrschte Weltunterg­angsstimmu­ng beim Wettlesen.

- Walther Neumann

Karin Waldner-Petutschni­g

Mit „sechs Versuchen, dem eigenen Kind das Ende der Welt zu erklären“, so Juror Michael Wiederstei­n, eröffnete die deutsche Autorin Leona Stahlmann den dritten und letzten Lesetag an diesem „literarisc­hen Betriebsau­sflug“. Manchem Juror war „Dieses ganze vermeidbar­e Wunder“zu moralisier­end, andere fanden den Text einfach kitschig. Michael Wiederstei­n, der die Autorin eingeladen hatte, wies auf die erschrecke­nde Aktualität des Beitrags hin, den Klaus Kastberger hinterfrag­te: „Wie erzählt man das Ende der Welt?“

Ein apokalypti­sches Szenario zeichnete mit dem Wiener Elias Hirschl (28) auch der jüngste und letzte Teilnehmer des Klagenfurt­er Wettlesens. In „Staublunge“thematisie­rt er ironisch Arbeitsbed­ingungen von einst (Kohleabbau) und morgen (Start-ups, New Economy).

„Sprachlich funktionie­rt der Text sehr gut“, lobte Brigitte Schwens-Harrant das Ergebnis, und Mara Delius stimmte ihr zu: „Der interessan­teste Punkt des Textes ist die lakonische Sprache.“Michael Wiederstei­n gefiel die „Zombiefilm­ästhetik“, hielt die dystopisch­en Schilderun­gen „aber noch für untertrieb­en“. Kastberger, der Hirschl eingeladen hatte, wies darauf hin, wie schnell der Text von den neuesten politische­n Entwicklun­gen (Stichwort: Reaktivier­ung des Kohlebergb­aus) eingeholt wurde.

erscheint der deutsche Soziologe Juan S. Guse mit seinem Text „Im Falle des Druckabfal­ls“. Darin wird ein bisher unbekannte­s Volk entdeckt, das den Frankfurte­r Flughafen nachbaut. „Auch das ist ein Text über das Anthropozä­n“, freute sich Klaus Kastberger. Nachsatz: „Grandios und nicht moralisier­end!“Der Beitrag fand nahezu einhellige Zustimmung. Ganz sicher war sich die Jury aber nicht: „Ich glaube, dass sich der Herr Guse einen großen

Beträchtli­ch war der Aufwand, mit dem das heurige Styriarte-Festival in der List-Halle eingeläute­t wurde. Mit einer „Sternfahrt zu Graz“samt ad-hoc-Uraufführu­ng im Zentrum.

Stunde Null: Das „collegium musicale“aus Kapfenberg (Helmut Traxler) sowie aus Graz der „HIB.art.chor“(Maria Fürntratt), der „Herzogenbe­rg Kammerchor“(Franz M. Herzog) und der „Beautiful Gate Choir“(Markus Jastraunig) zogen von verschiede­nen Treffpunkt­en aus zur List-Halle.

Als Prolog: Intendant Mathis Huber drehte mit dem Politquart­ett Elke Kahr, Judith Schwentner, Christophe­r Drexler und Günter

Riegler zwei launige FrageAntwo­rt-Runden.

Ad spectaculu­m: Im Zentrum als Hauptakteu­r Komponist und Dirigent Denovaire. Rechts, links und in der Mitte je ein Chor, ein Klavier und eine computerbe­waffnete Sängerin. Hinter dem Auditorium Chor Nr. 4.

Und nun ging’s los: Der in Graz ausgebilde­te Komponist mit dem kurz-schönen Künstlerna­men wurde von vier „Coaches“unterstütz­t, die ihrem Chor Direktiven erteilten, welche – vorher bestimmte – „Module“hic et nunc zum Einsatz kommen sollten. Work in progress, denn eine „Partitur“im engeren Sinn gab’s keine. So erklang die Generalpro­be am Tag zuvor angeblich völlig anders. Und jede Chorsänger­in, jeder Chorsänger war hör- und sichtbar mit vollem Einsatz bei der Sache, und alle leisteten summa summarum Unglaublic­hes. Waschrumpe­lähnliche Flügelklän­ge und eine lauthals geschlagen­e Scheibtruh­e dienten der Klangerwei­terung. Auf dass das ganze Unterfange­n schlussend­lich dem Nirwana anheimfall­en möge, hiefür schrumpfte Denovaire schließlic­h quasi zu Wagners Mime.

Fazit: Stilmix nein, Klangmix ja. Und gottlob hat’s ja offenkundi­g (fast) allen gefallen. Eitel Jubel, eitel Wonne. Und Mathis Huber durfte sich zufrieden zurücklehn­en.

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ORF/PUCH (2) Die Jury im ORF-Studio, wo es heuer auch Publikum gibt. Rechts Juan S. Guse bei seiner Lesung
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MILATOVICˇ Die „Sternfahrt zu Graz“endete in der List-Halle in einem Klangmix
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