„Die Preise werden noch weiter steigen“
Vor einem Jahr übernahm Markus Mühleisen die Leitung der Agrana. Mit Standorten in der Ukraine und Russland und hohem Gasbedarf warten große Herausforderungen.
Sie haben vor einem Jahr den Vorstandsvorsitz der Agrana übernommen. Seitdem hatten wir Delta und Omikron und jetzt noch Inflation und Krieg in der Ukraine. Hätten Sie sich einen leichteren Start gewünscht? MARKUS MÜHLEISEN: Mir war schon klar, dass die Pandemie noch eine Weile andauern wird. Was alle überrascht hat, ist die hohe Inflation. Schon im Sommer des Vorjahres hat der Anstieg der Energiepreise angefangen. Und auch viele weitere Rohstoffpreise sind in den folgenden Monaten teurer geworden. Für ein energieintensives Unternehmen wie Agrana sind das besondere Herausforderungen. Das erste Jahr war dennoch ein gutes Jahr. Man hat mich hier sehr nett aufgenommen.
Zum Thema Energie. Wie sehr hängt die Agrana von der Versorgung mit Gas ab?
Ganz klar ist: Wir brauchen Gas in all unseren Produktionen, aber besonders hoch ist der Bedarf sowohl bei der Produktion von Zucker als auch bei Stärke. Dort haben wir die energieintensivsten Prozesse. Besonders gefordert sind wir im Herbst. Dann steht die Zuckerrübenkampagne an und die Kartoffelernte. Deshalb sind wir sehr besorgt um die Gassicherheit und versuchen auch, so gut es geht, uns auf die verschiedenen Eventualitäten einzustellen.
Wie sorgt die Agrana vor?
Wir reden hier wirklich von einem Notfallplan. Wir rüsten unsere Brenner um, sodass wir neben Gas auch Heizöl verbrennen können. Das tut uns in der Seele weh. Wir wollen eigentlich im Bereich Nachhaltigkeit ein Vorzeigeunternehmen sein, wir wollen bis spätestens 2040 in der Produktion klimaneutral sein. Aber im Sinne der Versorgungssicherheit gehen wir diesen Schritt, um auf einen möglichen Lieferausfall bei Gas vorbereitet zu sein.
Auslöser dieser Gaskrise ist der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die Agrana ist in beiden Ländern tätig. Wie ist die Lage in der Ukraine?
Wir machen uns vor allem Gedanken um unsere Mitarbeiter in der Ukraine. Das sind über 600 Menschen mit ihren Familien. Die aktuelle Situation ist relativ ruhig in Vinnytsia. Wir haben dort drei Standorte: zwei Werke für Fruchtsaft und Fruchtzubereitung sowie unsere Landwirtschaft. Die Frontlinie verläuft deutlich weiter östlich. Aber es ist eine extreme Herausforderung für die Mitarbeiter. Wir sprechen hier davon, dass es ständig Fliegeralarm gibt. Unser Werk wurde zum Glück noch nicht getroffen. Wir fahren weiterhin im Dreischicht-Betrieb, halten aber die Anzahl der Mitarbeiter im Werk so gering wie möglich, für den Fall, dass doch mal etwas geschieht. Doch es ist sehr herausfordernd, einen Betrieb in einem Land im Krieg aufrechtzuerhalten. Für uns völlig normale Sachen werden plötzlich zum Problem. Unsere Manager vor Ort müssen sich täglich fragen, woher sie den Treibstoff bekommen sollen und wie man sicherstellt, dass die Mitarbeiter zu ihrem Lohn kommen.
In Russland stellt die Agrana Fruchtzubereitungen her. Hält die Agrana an dem Standort fest? Wir ringen täglich mit der Frage, wie man sich hier richtig
verhalten soll. Es ist klar: Wir verurteilen aufs Schärfste, was die russische Regierung macht. Wir unterstützen die Sanktionen gegen Russland. Auf der anderen Seite haben wir eine Verpflichtung gegenüber den normalen Menschen, der russischen Bevölkerung. Wir sind Teil der Lebensmittelkette, wir produzieren Grundnahrungsmittel zusammen mit unseren Kunden. Und bisher sind wir der Überzeugung, dass es richtig ist, zu bleiben, um die Bevölkerung mit diesen Grundnahrungsmitteln zu versorgen.
Bei Grundnahrungsmitteln ist die Inflation auch in Österreich deutlich spürbar. Werden die Preise der Agrana-Produkte weiter steigen? Wie teuer werden Zucker, Fruchtjoghurts oder Apfelsaft?
Wir versuchen, möglichst viel durch Produktivität oder Effizienzmaßnahmen zu kompensieren. Wir schauen, wo wir im Werk noch Energie sparen können. Wie können wir durch neue Technologien wie Wärmepumpen effizienter arbeiten? Und wir sind auch dabei, Investitionen im Sinne der Nachhaltigkeit vorzuziehen, weil auch das hilft, Energie zu sparen. Preiserhöhungen sind für uns das letzte Mittel. Aber es ist auch eine gewisse Realität, dass wir nicht alles schlucken können und Kosten weitergeben müssen.
Die nächste Zuckerkampagne steht im Herbst an. Die Zuckerrübe ist eine anspruchsvolle Pflanze, die den Landwirten hohe Kosten verursacht. Wie wird sich das auf den Zuckerpreis auswirken?
Die Preise werden noch weiter steigen. Wir sehen keine Entwarnung in den Märkten bei Rohstoffen und Energie. Es wird für Konsumenten schon noch einmal etwas teurer. Das ist natürlich schwierig für Menschen mit knappen Haushaltsbudgets. Aber auf den Zucker heruntergebrochen: Ein Kilo kostet derzeit im Handel unter einem Euro. Selbst wenn das prozentual etwas teurer wird, ist der Preisanstieg bei unseren Produkten in absoluten Zahlen in einem geringen Bereich.
Dabei ist Zucker in Lebensmitteln eigentlich nicht mehr so populär. Wie entwickelt sich die Nachfrage?
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