Mit neuen Freunden gegen Russland
An Tag zwei suchten die Staats- und Regierungschefs der G7 Antworten auf die vielfältigen Krisen. Der G20-Gipfel im Herbst soll sogar mit Kreml-Chef Putin stattfinden.
Das Wetter war auch am zweiten Tag schön. Aber es herrschte nicht ganz so viel Einigkeit beim G7-Treffen auf Schloss Elmau. Das wurde am Dienstagnachmittag deutlich. Die Staats- und Regierungschefs ausgewählter Schwellenländer waren zur Debatte geladen auf den 1008 Meter hohen Gipfelberg über Garmisch-Partenkirchen. Länder wie Argentinien, Indien, Indonesien, Südafrika und der Senegal. Eine Wirtschaftsmeldung hatte da schon die Runde gemacht: China ist nun das wichtigstes Exportland für Öl aus Russland. So viel zum Thema Ölembargo.
Der russische Staatschef Wladimir Putin rüttelt mit seiner Invasion in der Ukraine nicht allein an den Grenzen in Europa. Putins Krieg entwickelt gewaltige Fliehkräfte. Südafrika und Indien etwa mochten einer Verurteilung Russlands im Sicherheitsrat der UN nicht zustimmen. Die Welt sortiert sich neu. „Wir arbeiten gemeinsam an einer neuen Sicherheitsarfür die Welt, die Frieden sichert“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz.
Wenn es nur so einfach wäre. Krieg, Engpässe bei Weizen und anderen Lebensmitteln, ausbleibende Erdgaslieferungen und steigende Inflation – Russlands Invasion in der Ukraine entfacht eine neue Vielzahl von Krisen, die nicht zum Idyll passen, die Bayerns bezaubernde Bergwelt versprüht. „Das sind alles keine kleinen Herausforderungen“, stapelte Scholz tief.
Das wird schon am Morgen klar. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj klickte sich beim Gipfel per Video ein und forderte neue Sanktionen und mehr Waffen. Aber beim Thema Waffen bremste Scholz erst einmal und verwies auf jüngste deutsche Lieferungen. Auch ein Embargo auf russisches Gold wird noch nicht besiegelt. Aufgabe der EU, befinchitektur
det der Kanzler technokratisch. Ein Einkäuferkartell und eine Preisobergrenze auf russisches Öl bleiben ebenso ohne Beschluss. Immerhin, auf einen Punkt können sich die G7-Chefs einigen: Rund 28 Milliarden Euro Finanzhilfe soll die Ukraine erhalten.
Doch längst geht es um mehr als Geld. Russland will atomwaffenfähige Raketen in Belarus stationieren. Eine unverhohlene Drohung. Zudem hängen mehr als zwanzig Millionen Tonnen Weizen in der Ukraine fest, weitere 40 Millionen Tonnen können in den kommenden Wochen hinzukommen, wenn in der Ukraine die Ernte eingefahren wird. Weizen für die Welt. Die EU versucht, die Ware per Zug und Lastwagen in Häfen außerhalb der Ukraine zu bringen. Zu teuer und zu langsam. Es droht eine Hungersnot. Mit erheblichem sozialen Konfliktpotenzial. Weltweit. EuroKrise, Flüchtlingsherbst, Pandemie – der Westen hat lange nur auf sich geschaut. Nun blickt er in eine Welt, die sich rasend verändert hat. Von einer „gemeinsamen Verantwortung“, sprach Olaf Scholz und der G7 als dem „richtigen Format“für die koordinierenden Krisenberatungen. Fraglich ist nur, ob die Welt die Botschaften noch erreichen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mochte keinen Boykott des G20-Treffens verkünden, falls Russlands Staatschef Wladimir Putin dort erscheine. Dann könne man ihm „offen ins Gesicht sagen“, was man von ihm halte, sagte sie. Ein mutiger Satz. Aber insgeheim auch ein Eingeständnis. Die G7 wird zu klein für die Größe der Herausforderungen. Aber: Laut dem Kreml will Putin am G20-Gipfel im Herbst tatsächlich teilnehmen.