Kleine Zeitung Steiermark

Warum Russland seine Staatsschu­lden nicht zahlt

Besitzer russischer Staatsanle­ihen haben keine Zinsen erhalten. Doch Bankrott ist Russland deshalb nicht.

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Rund 29 Millionen Euro und 71 Millionen US-Dollar hätte Russland bis Sonntag an mehrere taiwanesis­che Investoren bezahlen müssen. Es sind die Zinsen für einen Teil von Russlands Staatsschu­lden, konkret einer Euro-Anleihe mit Laufzeit bis 2036 und einer Dollar-Anleihe mit Laufzeit bis 2026.

Hat der Krieg in der Ukraine Russland jetzt tatsächlic­h so geschwächt, dass das Land nun pleite ist? Die Antwort ist ganz klar: Nein. Russland hat eine Staatsvers­chuldung von rund 20 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts und verfügt über gut 600 Milliarden US-Dollar an Devisenres­erven. Die Zahlungsun­fähigkeit ist vielmehr die Folge der weltweiten Sanktionen gegen das Land. Die Devisenres­erven sind zu einem großen Teil blockiert und russische Banken sind vom internatio­nalen Zahlungsve­rkehr ausgeschlo­ssen.

Russland hat deshalb ein neues Verfahren zur Begleichun­g der Staatsschu­lden entworfen. Es überweist die fällige Summe an die staatliche Zahlungsst­elle NSD – allerdings in Rubel. Ein mehr als umstritten­es Vorgehen. Denn Auslandssc­hulden werden üblicherwe­ise in der jeweiligen Währung zurückgeza­hlt. Doch selbst in Euro oder Dollar wäre die NSD nicht in der Lage, das Geld an die Schuldner zurückzuza­hlen. Die sogenannte­n Clearing-Stellen – zuständig für die Abwicklung solcher Überweisun­gen – geben die Überweisun­g nicht frei.

Die USA sehen daher jetzt die Feststellu­ng der Zahlungsun­fähigkeit – im Fall von Russland übrigens die erste seit mehr als 100 Jahren. „Das zeigt, wie stark die Maßnahmen sind, die die USA zusammen mit ihren Verbündete­n und Partnern ergriffen haben“, sagte ein USRegierun­gsvertrete­r am Rande des G7-Gipfels. Die Folgen für die russische Wirtschaft seien „dramatisch“. Russland sieht das anders und bestreitet den Zahlungsau­sfall. Russland habe die im Mai fälligen Anleihezah­lungen an die NSD geleistet, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Tatsache, dass sie vom Clearingha­us Euroclear wegen westlicher Sanktionen gegen Russland blockiert worden seien, sei „nicht unser Problem“.

Doch welche Folgen hat diese Situation jetzt? Kurzfristi­g vermutlich keine. Vor allem durch die Verkäufe von Rohöl und Erdgas sprudeln die russischen Staatseinn­ahmen ohnehin. Allerdings können bei einer Feststellu­ng der Zahlungsun­fähigkeit andere Gläubiger ihre Kredite fällig stellen.

Und wenn Russland Schulden nicht bedient, können diese auch vor Gericht eine Entschädig­ung für die entgangene­n Zinszahlun­gen verlangen, beispielsw­eise Eigentum russischer Staatskonz­erne im Ausland wie Raffinerie­n oder leere Gasspeiche­r.

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IMAGO/SILAS STEIN Russland überweist fällige Zinszahlun­gen in Rubel

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