Der Druck an den Grenzen steigt wieder
Während die Zahl der Aufgriffe von Migranten in und um die EU und jene der gestellten Asylanträge steigt, mehren sich die Warnungen vor einer neuen Flüchtlingswelle – auch in Österreich.
Rund 2000 Migranten versuchen am vergangenen Freitag, den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla zu überwinden und damit den rechtlichen Sprung nach Europa zu schaffen. Die marokkanischen Behörden drängen sie zurück, wie Videoaufnahmen zeigen, teils mit Gewalt. Mindestens 23 Menschen sterben.
In Griechenland wird indes bekannt, dass die Polizei bei ihren widerrechtlichen Zurückweisungen der Ankommenden (Pushbacks) in die Türkei – eine seit Jahren bekannte Praxis – selbst Flüchtlinge einsetzt. Um die Beamten zu schützen, heißt es. Rund 1130 Migranten wurden allein am vergangenen Wochenende an der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland gehindert.
Meldungen wie diese häufen sich seit einigen Monaten. Die Abwehr an den EU-Außengrenzen wird härter, die Zahl der
Asylanträge steigt trotzdem. Bereits im Vorjahr wurden in der Union um ein Drittel mehr Asylanträge verzeichnet als im Jahr zuvor. Erste Zahlen aus einigen Mitgliedsländern zeigen, dass sich der Trend in diesem Jahr fortsetzt. Eines davon ist Österreich. Nach pandemiebedingten sinkenden Zahlen in den Vorjahren wurden zwischen Jänner und April bereits fast 16.000 Asylanträge verzeichnet. Ein Umstand, der unter anderem damit zu erklären ist, dass die wieder geöffneten Grenzen jenen Asylwerbern, die vor allem am Westbalkan festgesessen sind, die Weiterreise ermöglicht haben.
Doch auch die Zahl der in Österreich aufgegriffenen Migranten steigt. Laut aktuellem Schlepperbericht kam es im Vorjahr zu 41.612 Aufgriffen – und damit zum dritthöchsten Wert in den vergangenen zehn Jahren. Dass die Betroffenen dabei immer öfter aus Indien, Pakistan, Algerien, Tunesien oder Marokko und damit aus Ländern mit geringen Chancen auf Asyl kommen, erklärt man sich im Innenministerium mit „SchlepperMarketing“.
Nachdem sich die EU darauf geeinigt hat, Geflüchtete aus der Ukraine ohne entsprechende Verfahren aufzunehmen, werben die Schlepper nun damit, dass Europa – und damit auch Österreich – die Grenzen für Migranten geöffnet habe. Ein Umstand, vor dem man laut Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) das heimische Asylsystem dringend schützen müsse.
Mit eben diesem Schutz fühlt man sich im Burgenland jedoch allein gelassen. Dort werden immer wieder Hilferufe von Grenzbeamten, Soldaten und Hilfsorganisationen laut, die über einen kaum zu bewältigenden Ansturm auf die Registrierungszentren klagen. Man sei dort nicht in der Lage, die vielen Menschen, die auf ihre Registrierung warten, ausreichend zu versorgen. Aktuell werden in der Grenzregion zwischen 100
80.000
60.000
40.000 und 400 Personen täglich aufgegriffen. Die meisten stammen aus Syrien und Afghanistan. Innenminister Karner hat eine Evaluierung der Situation und zusätzliche Polizistinnen und Polizisten aus anderen Bundesländern versprochen.
2022*
Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil (SPÖ) geht das nicht schnell genug. Er fühle sich an 2015 erinnert. „Es war auch damals so, dass man bereits im Frühsommer begonnen hat, die Menschen mithilfe des Roten Kreuzes zu versorgen, weil Exekutive und Bundesheer einfach nicht mehr zurande gekommen sind“, erklärte er. „Seit der Flüchtlingskrise ist nichts passiert. Das ist eine politische Bankrotterklärung.“
Ein Ende der Migrationsbewegungen ist auch weiterhin nicht in Sicht. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) prophezeit, dass im nächsten Jahr weltweit mehr als zwei Millionen Flüchtlinge auf eine permanente neue Heimat angewiesen sein werden. Neben Kriegen und Verfolgung trage die Klimakrise und die daraus resultierende Nahrungsknappheit ihr Übriges dazu bei, dass sich Menschen auf den Weg in andere Länder machen – auch nach Europa.
In Österreich gibt man sich jedoch vage, was die Vorbereitung auf erneut explodierende Asylzahlen betrifft. Man habe detaillierte Pläne ausgearbeitet, wird versichert. Diese will der Innenminister im Laufe der nächsten Tage präsentieren.