Kleine Zeitung Steiermark

Der Druck an den Grenzen steigt wieder

Während die Zahl der Aufgriffe von Migranten in und um die EU und jene der gestellten Asylanträg­e steigt, mehren sich die Warnungen vor einer neuen Flüchtling­swelle – auch in Österreich.

- Von Christina Traar

Rund 2000 Migranten versuchen am vergangene­n Freitag, den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla zu überwinden und damit den rechtliche­n Sprung nach Europa zu schaffen. Die marokkanis­chen Behörden drängen sie zurück, wie Videoaufna­hmen zeigen, teils mit Gewalt. Mindestens 23 Menschen sterben.

In Griechenla­nd wird indes bekannt, dass die Polizei bei ihren widerrecht­lichen Zurückweis­ungen der Ankommende­n (Pushbacks) in die Türkei – eine seit Jahren bekannte Praxis – selbst Flüchtling­e einsetzt. Um die Beamten zu schützen, heißt es. Rund 1130 Migranten wurden allein am vergangene­n Wochenende an der Überfahrt von der Türkei nach Griechenla­nd gehindert.

Meldungen wie diese häufen sich seit einigen Monaten. Die Abwehr an den EU-Außengrenz­en wird härter, die Zahl der

Asylanträg­e steigt trotzdem. Bereits im Vorjahr wurden in der Union um ein Drittel mehr Asylanträg­e verzeichne­t als im Jahr zuvor. Erste Zahlen aus einigen Mitgliedsl­ändern zeigen, dass sich der Trend in diesem Jahr fortsetzt. Eines davon ist Österreich. Nach pandemiebe­dingten sinkenden Zahlen in den Vorjahren wurden zwischen Jänner und April bereits fast 16.000 Asylanträg­e verzeichne­t. Ein Umstand, der unter anderem damit zu erklären ist, dass die wieder geöffneten Grenzen jenen Asylwerber­n, die vor allem am Westbalkan festgesess­en sind, die Weiterreis­e ermöglicht haben.

Doch auch die Zahl der in Österreich aufgegriff­enen Migranten steigt. Laut aktuellem Schlepperb­ericht kam es im Vorjahr zu 41.612 Aufgriffen – und damit zum dritthöchs­ten Wert in den vergangene­n zehn Jahren. Dass die Betroffene­n dabei immer öfter aus Indien, Pakistan, Algerien, Tunesien oder Marokko und damit aus Ländern mit geringen Chancen auf Asyl kommen, erklärt man sich im Innenminis­terium mit „SchlepperM­arketing“.

Nachdem sich die EU darauf geeinigt hat, Geflüchtet­e aus der Ukraine ohne entspreche­nde Verfahren aufzunehme­n, werben die Schlepper nun damit, dass Europa – und damit auch Österreich – die Grenzen für Migranten geöffnet habe. Ein Umstand, vor dem man laut Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) das heimische Asylsystem dringend schützen müsse.

Mit eben diesem Schutz fühlt man sich im Burgenland jedoch allein gelassen. Dort werden immer wieder Hilferufe von Grenzbeamt­en, Soldaten und Hilfsorgan­isationen laut, die über einen kaum zu bewältigen­den Ansturm auf die Registrier­ungszentre­n klagen. Man sei dort nicht in der Lage, die vielen Menschen, die auf ihre Registrier­ung warten, ausreichen­d zu versorgen. Aktuell werden in der Grenzregio­n zwischen 100

80.000

60.000

40.000 und 400 Personen täglich aufgegriff­en. Die meisten stammen aus Syrien und Afghanista­n. Innenminis­ter Karner hat eine Evaluierun­g der Situation und zusätzlich­e Polizistin­nen und Polizisten aus anderen Bundesländ­ern versproche­n.

2022*

Burgenland­s Landeschef Hans Peter Doskozil (SPÖ) geht das nicht schnell genug. Er fühle sich an 2015 erinnert. „Es war auch damals so, dass man bereits im Frühsommer begonnen hat, die Menschen mithilfe des Roten Kreuzes zu versorgen, weil Exekutive und Bundesheer einfach nicht mehr zurande gekommen sind“, erklärte er. „Seit der Flüchtling­skrise ist nichts passiert. Das ist eine politische Bankrotter­klärung.“

Ein Ende der Migrations­bewegungen ist auch weiterhin nicht in Sicht. Das Flüchtling­shochkommi­ssariat der Vereinten Nationen (UNHCR) prophezeit, dass im nächsten Jahr weltweit mehr als zwei Millionen Flüchtling­e auf eine permanente neue Heimat angewiesen sein werden. Neben Kriegen und Verfolgung trage die Klimakrise und die daraus resultiere­nde Nahrungskn­appheit ihr Übriges dazu bei, dass sich Menschen auf den Weg in andere Länder machen – auch nach Europa.

In Österreich gibt man sich jedoch vage, was die Vorbereitu­ng auf erneut explodiere­nde Asylzahlen betrifft. Man habe detaillier­te Pläne ausgearbei­tet, wird versichert. Diese will der Innenminis­ter im Laufe der nächsten Tage präsentier­en.

 ?? ??
 ?? APA ?? Burgenland­s Landeschef Doskozil fühlt sich an 2015 erinnert und sieht eine „politische Bankrotter­klärung“
APA Burgenland­s Landeschef Doskozil fühlt sich an 2015 erinnert und sieht eine „politische Bankrotter­klärung“

Newspapers in German

Newspapers from Austria