Kleine Zeitung Steiermark

Dem Widerstand Raum geben

Der Angriffskr­ieg auf die Ukraine bringt auch die Vernichtun­g kulturelle­r Werte. Der Rest Europas tut gut daran, sich solidarisc­h mit vertrieben­en Künstlern zu zeigen.

-

Keine Frage, dass der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine mit allen Mitteln geführt wird: Längst sind Massenmord­e und Bombardeme­nts nicht mehr die einzigen Instrument­e zur Zerstörung einer ganzen Nation.

Immer lauter wird der Vorwurf, die russischen Truppen betrieben auch einen koordinier­ten „kulturelle­n Genozid“der Ukraine. Bereits Anfang Juni warf der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland die gezielte und massive Vernichtun­g von Kulturstät­ten, Kirchen und anderen religiösen Stätten vor. Tatsächlic­h wurden mittlerwei­le zahlreiche Wahrzeiche­n und Baudenkmäl­er der ukrainisch­en Kultur beschossen und zerstört, darunter die Holzkirche in Swjatohirs­k, das Wassil-Tarnowski-Museum in Tschernihi­w, der historisch­e jüdische Friedhof von Hluchiw, das historisch­e Zentrum von Charkiw.

Ob das alles wirklich Teil einer zielgerich­teten russischen Kriegspoli­tik ist, lässt sich natürlich nicht beweisen. Aber unzweifelh­aft ist die Zerstörung des kulturelle­n Substrats ein probates Instrument brutaler Kriegsführ­ung. Dazu zählt natürlich die Verwüstung und Plünderung von Museumssch­ätzen; ein Vorwurf, der auch gegen die russischen Truppen längst erhoben wird.

Ob das individuel­le Straftaten von Soldaten auf der Jagd nach wertvollen Kriegssouv­enirs sind oder doch staatlich organisier­te Raubzüge: Es mehren sich die Indizien, dass ukrainisch­e Kulturgüte­r in enormer Zahl nach Russland verschlepp­t werden. Quasi in Konkurrenz zu zahlreiche­n westlichen Hilfs-Initiative­n, die – etwa durch sicheren Abtranspor­t und Lagerung im befreundet­en Ausland – die Kunstschät­ze der Ukraine vor Zerstörung und Plünderung zu bewahren versuchen.

In diesem absurden Wettlauf ist aber völlig ungewiss, ob und wie die rund 400 Museen und 3000 Kulturscha­uplätze (inklusive sieben Welterbest­ätten) der Ukraine den Krieg überstehen werden. ugleich ist die ukrainisch­e Kultur im Westen präsent wie nie. Künstlerin­nen und Künstler des Landes erhalten mithilfe von Arbeitsauf­enthalten und Stipendien die Gelegenhei­t zu arbeiten, auszustell­en, zu performen.

Auch in Österreich, etwa über die Unterstütz­ungsplattf­orm „Office Ukraine“, vor allem aber dank der Solidaritä­t öffentlich­er und freier Institutio­nen und Festivals, die ihnen Arbeitsund Auftrittsm­öglichkeit­en bieten, vom Linzer Lentos bis zum Grazer , von den Wiener Musiktheat­ertagen bis zum steirische­n herbst.

Gab es nach Kriegsausb­ruch quasi reflexhaft­e Boykotte und Sanktionen gegen russische Kulturscha­ffende, zeigt sich hier etwas Größeres: der konstrukti­ve Versuch, kulturelle Auslöschun­gsbestrebu­ngen zu überwinden – indem man Künstlerin­nen und Künstlern, die ihr Land verlassen mussten, den Raum, die Zeit, die Mittel und die Öffentlich­keit gibt, sich der imperialis­tischen Aggression auf ihre Weise entgegenzu­stellen.

Z

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria