Das Spiel mit dem schlechten Gewissen
In Österreich sagen etwa 25 Prozent der Mütter, dass sie zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen. Und je höher die Bildung wird, umso höher werden die Anforderungen, die Mütter heutzutage bei der Kindererziehung an sich stellen. Das zeigt eine Studie des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Darin wurde erhoben, dass Frauen mit höherem Bildungsgrad, die tendenziell mehr Stunden berufstätig sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen als Frauen mit geringerem Bildungsgrad (und tendenziell geringerem Erwerbsausmaß). Trotzdem haben sie ein schlechtes Gewissen. Und damit befinden sie sich in einem unbefriedigenden Spagat: zwischen arbeiten wollen, Pensionszeiten sammeln müssen, vielleicht sogar eine Karriere anstreben – und (zumindest gefühlt) fehlender Zeit mit ihren Kindern.
Doch woher kommt dieser Zwiespalt, wo in vielen anderen Ländern Frauen neben der Kindererziehung mehr arbeiten und tatsächlich weniger Zeit für ihre Kinder haben? Und es gibt sogar Studien, die zeigen, dass in Ländern, wo Kinderbetreuung stärker angeboten wird, Frauen zufriedener sind. Soziologe Bernhard Riederer, ebenfalls vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie für Wissenschaften, der in einer Studie Daten aus 30 Ländern und Paarbefragungen ausgewertet hat, erklärt dazu, dass für Mütter neben ausreichend Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor allem auch die gesellschaftliche Akzeptanz eine große Rolle spiele: In Österreich ist die Berufstätigkeit von Müttern aber noch immer nicht durchgehend positiv besetzt.
Es gibt zwar auch bei uns immer mehr Menschen, die sich für Gleichberechtigung aussprechen, aber sobald es um die Mutterrolle geht, ist man in Österreich tendenziell immer noch der Meinung, die Frau sollte bei den Kindern daheim sein und höchstens Teilzeit arbeiten. Kindererziehung ist hierzulande also nach wie vor Muttersache. Die Teilzeitquote von Frauen ist in Österreich daher auch überdimensional hoch im Vergleich zu anderen Ländern. Noch immer läuft bei uns also das Gesellschaftsspiel mit dem schlechten Gewissen – wer gewinnt?
Nora Kanzler
Veronika Dolna