Offen ist, wo der Eiserne Vorhang herunterfällt
Die Historiker Günter Bischof und Peter Ruggenthaler legen ihr neues Buch „Österreich und der Kalte Krieg“vor und erklären, warum Europa mit dem Krieg gegen die Ukraine unsicherer geworden ist, als es damals war.
PETER RUGGENTHALER. Günter Bischof und ich sprachen schon vor 15 Jahren darüber, unsere Forschungsergebnisse – er seine aus amerikanischen Archiven, ich die aus den sowjetischen – in Form eines Buches zusammenzuführen. Als die Pandemie das Leben einschränkte, sagten wir, wann dann, wenn nicht jetzt finden wir auch die Zeit, das Projekt umzusetzen.
RUGGENTHALER: Das Buch schlossen wir vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, die Druckfahnen erhielten wir nach dem 24. Februar. Wir schrieben das Buch mit dem Gefühl, es mit einer historisierten, abgeschlossenen Epoche zu tun zu haben, mit Politikmustern, die als überwunden galten. Plötzlich aber las und liest sich fast jede Zeile wie eine Aktualität.
RUGGENTHALER: Wer hätte sich 1990 bei Beendigung des Kalten Krieges durch die Sowjetunion und die USA gedacht, dass man diese rund 45 Jahre einmal als Phase der Stabilität, trotz diverser Kriege und Krisen, verstehen wird.
RUGGENTHALER: In der Zeit des Kalten Krieges wurde trotzdem eine einigermaßen stabile Weltordnung herausgearbeitet, beginnend mit der Gründung der UNO bis zur Helsinki-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Jahr 1975. Es wurden Verträge geschlossen, an die sich alle gehalten haben, auch die Sowjetunion, die selbst immer wieder konstruktiv dazu beitrug, den Weltfrieden im Großen und Ganzen zu bewahren. Das wurde am 24. Februar 2022 mit einem Schlag zunichtegemacht.
GÜNTER BISCHOF: Die USA hatten die Teilung Europas respektiert, sie setzten auf die Eindämmung des Kommunismus, wollten aber keinen Atomkrieg heraufbeschwören.
BISCHOF: Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten immer die Rolle ihrer Alliierten im Kopf. Doch natürlich waren sie auch eine kapitalistische Militärmacht, die ihre eigenen Interessen hatte. Bei der Bewertung kommt es darauf an, aus welchem Blickwinkel diese erfolgt.
RUGGENTHALER: Damals bemühte man sich letztendlich um einen verantwortungsvollen Umgang, selbst in der Rhetorik und es gab zwei Blöcke. Jetzt leben wir in einer Ära mit viel mehr globalen Playern. Die Gefahr ist auch deshalb größer, weil immer mehr Autokraten und Diktatoren nach Atomwaffen streben, oder schon welche haben, und diese als eine Art Lebensversicherung verstehen. Wenn eine Atommacht wie
RUGGENTHALER: Die Neutralität Österreichs war eigentlich ein Produkt des Kalten Krieges, zwischen zwei Blöcken auf Äquidistanz zu sein. Aber Österreich auferlegte
RUGGENTHALER: Im Moment kann man keine Brücken bauen, weil auf der russischen Seite kein haltbarer Grund für eine Brücke existiert. Doch das kann sich in
RUGGENTHALER: Es wird wieder ein Eiserner Vorhang kommen, die Frage ist nur noch, wo er fallen wird.