Zur Person
Theresia Heimerl ist Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz. Ihre Schwerpunkte sind Religion und Film, europäische Religionsgeschichte sowie KörperGeschlecht-Religion.
selbst. Berühmt ist der Fall des Philosophen Sokrates im Jahr 399 vor Christus, dessen Anklage auf „Ableugnung der vom Staat anerkannten Götter“bereits unmissverständlich den Zusammenhang von Staatsmacht und Blasphemie aufzeigt.
So richtig farbig wird es im Mittelalter. Historische Texte zeichnen uns ein vielschichtiges Bild von der Beleidigung Gottes: Die Stadt Zürich stellte ausdrücklich Schwüre auf „Gottes Scheiß“, „Gottes Schwanz“oder „Gottes Hure“als besonders schwerwiegende Verfehlungen unter Strafe. Eine Wundergeschichte aus dem 13. Jahrhundert berichtet von einem gewohnheitsmäßigen Spieler, der nach schweren Verlusten einen Pfeil gegen Gott abschoss und prompt bei der nächsten Runde am Spieltisch von einem blutigen Pfeil in die Hölle gestürzt wurde.
obszöne Gesten oder gar tätliche Ausschreitungen gegen Kreuze und Marienoder Heiligenstatuen wurden angezeigt. Mit dieser alltäglichen Blasphemie des Mittelalters und der frühen Neuzeit kann nicht einmal Herbert Achternbuschs „Gespenst“mithalten, das immerhin bis heute in Österreich in keinem Kino gezeigt werden darf.
Einem mittelalterlichen Halunken, der Gott wüst beschimpft, wenn er seinen letzten Heller beim Würfelspiel verloren hat, geht es aber um etwas ganz anderes als dem deutschen Regisseur: Für ihn ist die Existenz Gottes und seiner Allmacht so selbstverständlich, dass er ihn ebenso selbstverständlich für das Unglück im Spiel verantwortlich macht und beschimpft. Wer bei „Gottes Arsch“schwört (auch das ist verbürgt), stellt Gott und die Kirche nicht grundsätzlich und schon gar nicht intellekter tuell oder künstlerisch infrage. Gott mit Kraftausdrücken zu beleidigen, gehört sich nicht – genauso wie es sich nicht gehört, den Kaiser oder Feudalherren respektlos anzusprechen – und wird entsprechend bestraft.
Wenn im 20. Jahrhundert Gläubige oder kirchliche Würdenträger einem Film wie „Die letzte Versuchung Christi“oder „Maria und Joseph“Blasphemie vorwerfen, spricht keiner, nicht einmal Papst Johannes Paul II. (der sich tatsächlich zu manchen dieser Produktionen geäußert hat) davon, dass Gott selbst beleidigt würde. „Blasphemische“Worte oder Kunstwerke beleidigen im 19. oder 20. Jahrhundert die Gläubigen und deren religiöse Gefühle. Anklagen oder erfolgreiche Gerichtsurteile lauten auch in diesem Sinn. Die öffentliche Vorführung von „Das Gespenst“wurde gemäß § 188 des StrafgesetzAuch