Kleine Zeitung Steiermark

Zwischen Genie und Wahnsinn

Nick Kyrgios steht nach einem Skandalmat­ch gegen Stefanos Tsitsipas im Achtelfina­le von Wimbledon. Der Australier spaltet mit seinem Benehmen die Tenniswelt und sieht sich selbst für den Sport als unverzicht­bar.

- Von Alexander Tagger

Kaum ein Athlet spaltet die Sportwelt so wie Nick Kyrgios. Die einen sehen in ihm ein Genie, die anderen schlichtwe­g einen Wahnsinnig­en. Und der Australier selbst? Der ist der Meinung, dass er für den Tennisspor­t unverzicht­bar ist. Dies untermauer­te der 27Jährige auch bei einer Pressekonf­erenz in Wimbledon, wo er vollster Überzeugun­g erklärte: „Ich weiß, was ich dem Sport bringe. Ich bin eine der wichtigste­n Personen in unserem Sport.“

Aber ist das wirklich so? 2013 trat Kyrgios dem ATP-Zirkus bei und es dauerte nicht lange, bis er sich die Bezeichnun­gen „Enfant terrible“, „Rüpel“oder einfach auch nur „Irrer“erarbeitet hatte. Und zwar als tickende Zeitbombe, die jederzeit explodiere­n kann. So wie 2015, als er Gegner Stan Wawrinka während des Matches en passant darüber „informiert­e“, dass Thanasi Kokkinakis mit der damaligen Freundin des Schweizers (Donna Vekic) geschlafen

Oder so wie 2016 in Shanghai, als er für sein unsportlic­hes Auftreten zunächst sechs Wochen gesperrt, die Strafe dann aber auf drei Wochen reduziert wurde, weil sich der sechsfache Turniersie­ger damit einverstan­den erklärte, sportpsych­ologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Geholfen hat dies aber nichts – 2019 wurde er in Rom disqualifi­ziert, nachdem er unter anderem einen Stuhl auf den Platz geschmisse­n hatte. Heuer musste er in Indian Wells 25.000 Dollar Strafe berappen, nachdem er bei einem Schlägerwu­rf beinahe ein Ballkind getroffen hatte. Zehn Tage später setzte es in Miami 35.000 Dollar Strafe für das Beschimpfe­n des Schiedsric­hters und das Zertrümmer­n eines Arbeitsger­ätes.

Den jüngsten Höhepunkt lieferte Kyrgios nun aber im Tenhabe. nis-Mekka zu Wimbledon beim 6:7, 6:4, 6:3, 7:6-Drittrunde­nsieg über Stefanos Tsitsipas ab. So schenkten sich die beiden Protagonis­ten in dem hitzigen Duell auch abseits des Matches nichts. Tsitsipas, der selbst mit seinem teils eigenwilli­gen Verhalten nicht unbedingt als beliebtest­er Spieler gilt, feuerte während der Partie einen Ball in die Zuschauerr­änge und gab im Nachhinein auch zu, versucht zu haben, Kyrgios bei dessen Netzangrif­fen absichtlic­h zu treffen.

Die Begründung des Griechen: „Ich wollte ihn stoppen. Er hat eine böse Seite – und wenn die herauskomm­t, dann kann er den Menschen um sich herum wirklich viel Leid und Schaden zufügen“, sagte Tsitsipas in der anschließe­nden Pressekonf­erenz. Und weiter: „Er tyrannisie­rt seine Gegner, wahrschein­lich war er in der Schule selbst ein Tyrann. Ich mag keine Leute, die andere Leute mobben. Irgendwer muss sich mit ihm hinsetzen und reden.“

Kyrgios selbst sah sich als Unschuldsl­amm: „Ich habe gar

nichts getan.“Die Wahrheit sah jedoch anders aus. So hatte er Tsitsipas zur Weißglut getrieben. Von Beginn an schimpfte sich Kyrgios durch das Match, schnauzte die Linien- und den Schiedsric­hter Damien Dumusois an („Bist du dumm? Du bist eine Schande!“), kaum eine Pause zwischen den Ballwechse­ln und Aufschlags­pielen verging ohne Mätzchen oder Gequassel des australisc­hen „Bad Boys“.

Apropos Bad Boy – diesen Ruf hatte jahrzehnte­lang John McEnroe, der in Wimbledon als Kommentato­r dabei ist. Zum aktuellen Skandal gab sich „Big Mac“diplomatis­ch, betont aber: „Sein Verhalten ist traurig und schön zugleich. Es gibt so viele Kinder, die das Spiel seinetwege­n schauen und vom Sport angezogen sind.“

Wie auch immer – Strafen blieben für beide Spieler aus. Und so geht es für Kyrgios heute im Achtelfina­le gegen den Amerikaner Brandon Nakashima. Und man darf schon jetzt gespannt sein, welchen Eklat der Australier diesmal abliefern wird.

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AP (3), APA Enfant terrible Nick Kyrgios – es gibt kaum einen Spieler auf der ATPTour, der so polarisier­t wie der 27-jährige Australier
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