Majestät, der Tiger
„Surrounded by Time“, sein 41. Album, machte ihn 2021 zum ältesten Chart-Topper Großbritanniens, wie Jones nicht ohne Stolz erzählt, und versammelt Covers wie Bob Dylans „Not Dark Yet“, Cat Stevens’ „Pop Star“oder Terry Calliers „Lazarus Man“. Die gibt es in treibenden Versionen auch live, ein Zeichen dafür, dass Jones, der als Bluesröhre begann und von seinem Management zum Unterhalter mit 100 Millionen verkauften Tonträgern und VegasGlitz umgemodelt wurde, heute singt, was er will. Die wichtigsten Evergreens schließt das nicht aus, im Gegenteil: Mit einer Sechs-Jahrzehnte-Karriere in der Tasche haut man Hits wie „It’s Not Unusual“, „What’s New, Pussycat?“, „Sex Bomb“– Material also, das andere Entertainer sich für die Zugaben aufsparen würden – gleich zu Konzertbeginn hinaus.
Ein Gutteil der Songs aber stammt aus dem aktuellen Album, das augenzwinkernde Lamento „I’m Growing Old“, das den Abend eröffnet, ebenso wie die grimmige Spoken-Word-Tirade „Talking Reality Television Blues“. Dazwischen, präzise unterstützt von seiner mit Bombast nicht geizenden Old
School-Rockband, zeigt Jones, warum er als Inbegriff des „Crooners“und „Belters“gilt: Kaum einer beherrscht die Rollenfächer des Säuslers und Orglers wie er. „Sex Bomb“erfährt einen extra langsamen Auftakt, bevor mit Midtempo-Swing die Asche von der Glut geblasen wird, Dylans „One More Cup of Coffee“gerät zum Geisterwestern, Leonard Cohens „Tower of Song“zur Hymne. Dazwischen gibt es jede Menge Mitklatsch-, Mitsing- und Mittanznummern, von „You Can Leave Your Hat on“, bis „Delilah“und „Kiss“, ein Angebot, das in der Halle euphorisch genutzt wird.
Dass musikalisch mitunter etwas routiniert dahingerumpelt wird, fällt da kaum ins Gewicht. Nach gut zwei Stunden und dem traditionellen Kehraus mit „Strange Things“ist jedenfalls klar: Auch wenn sich der „Tiger“auf der Bühne heute etwas vorsichtiger bewegt, seine Majestät als König dieses Dschungels ist ungebrochen.