Kleine Zeitung Steiermark

„Die Konjunktur wird keinen Infarkt erleiden“

Die Sorge vor einem Gasliefers­topp bleibt, aber er wäre zu meistern. Das IHS sieht selbst für diesen Fall kein „apokalypti­sches Szenario“.

- Von Claudia Haase

Die erste gute Nachricht des Tages kam nicht vom Institut für Höhere Studien (IHS), sondern aus Deutschlan­d, wo in der Früh nach zehn Tagen Pause tatsächlic­h russisches Erdgas in der zuvor angekündig­ten Menge durch die bis Mittwoch gewartete GazpromPip­eline Nordstream 1 gepumpt wurde. Die deutsche Bundesnetz­agentur rechnet nun bei einer 40-prozentige­n Auslastung wieder mit einem Liefernive­au wie vor der Wartungspa­use.

Auch die OMV erhält wieder höhere Mengen, aber trotzdem nur rund die Hälfte der ursprüngli­ch vertraglic­h vereinbart­en Lieferunge­n. Wenn es bei diesem Gasfluss bleibt, sollte in den nächsten Wochen viel eingespeic­hert werden können. Wobei ein Unsicherhe­itsfaktor ist, ob durch die extrem heiße Witterung die Wasserstän­de der Flüsse und damit die Stromprodu­ktion nicht weiter sinkt.

Mit der Betriebsau­fnahme von Nordstream 1 ist das katastroph­alste Szenario zumindest zu diesem mit negativen Erwartunge­n aufgeladen­en Zeitpunkt nicht eingetrete­n. Das schwere Damoklessc­hwert eines Gasliefers­topps verschwind­et damit aber keineswegs. Die Ökonomen vom Institut für Höhere Studien (IHS) raten, sich auch für den schlimmste­n Fall zu wappnen. Der Staat solle auf Vorrat Gas einkaufen und müsste im Notfall den Gasverbrau­ch in Österreich radikal drosseln. 27 Prozent Einsparung­en seien möglich, so das IHS – wobei die Ökonomen hier auf Berechnung­en des belgischen Bruegel-Instituts aufsetzen

– wenn sich der Preis bei 280 bis 300 Euro je Megawattst­unde einpendele, erklärt Forschungs­gruppenlei­ter

Michael Reiter.

Um den Preisdruck zu dämpfen, müssten jetzt auf europäisch­er Ebene alle Anreize zum Sparen gesetzt werden, die möglich seien. „Gas sparen, wo immer es geht, ist im Moment Devise“, so Richter. Grundsätzl­ich müsse man mit zwei sehr harten Wintern rechnen.

In Haushalten wären 20 Prozent Einsparung möglich, so Reiter. Durch die Umstellung von Gas auf Öl in der Stromprodu­ktion könne der Verbrauch um ein Drittel sinken. Selbst in gasintensi­ven Industriep­roduktione­n hält der Ökonom Reduktione­n um 20 Prozent für möglich, wenn die Produktion moderat herunterge­fahren werde – um rund 13 Prozent, lautet hier die Annahme. In vielen anderen Wirtschaft­sbereichen wären bei nur drei Prozent geringerer Produktion sogar 35 Prozent Einsparung­en möglich.

Wäre mit diesem harten Szenario eine wirtschaft­liche Katastroph­e verbunden? Nein, keine Katastroph­e, aber eine Rezession wäre die Folge. Reiter: „Unser Szenario ist jetzt kein apokalypti­sches, das ist kein Herzinfark­t der Wirtschaft, sondern ein dreiprozen­tiger BIP-Rückgang.“Wobei das nicht der einzige Wohlfahrts­verlust sei, weil die Mehrausgab­en ja Menschen, Unternehme­n, den Staat treffen.

Das bremst den rasanten wirtschaft­lichen Aufschwung nach Überwinden der jüngsten Etappe der Pandemie empfindlic­h. Immerhin sieht das IHS bis 2026 im Schnitt noch 1,8 Prozent Wirtschaft­swachstum im Jahr, wobei das starke Jahr 2022 mit 3,8 Prozent plus den Schnitt hebt. Konkret werden für die kommenden Jahre 1,4 Prozent, 1,3 Prozent, 1,1 Prozent und 1,2 Prozent erwartet. Die Frage, ob die Gaskrise tatdie

Nord Stream 1 – Gaslieferu­ngen

Gigawattst­unden pro Tag

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IHS-Direktor Klaus Neusser warnt vor Falle

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