Kleine Zeitung Steiermark

Wie... solidarisc­h sind wir noch, Frau Tödtling-Musenbichl­er?

Die neue Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichl­er über soziale Nöte, die Bereitscha­ft zu spenden und mögliche Wege aus der Krise.

- Von Monika Schachner

Die Inflation ist zuletzt auf 8,7 Prozent gestiegen, beim Miniwarenk­orb, der den Wocheneink­auf abbildet, sogar auf 19 Prozent. Wie stark spürt das die Caritas?

NORA TÖDTLING-MUSENBICHL­ER: Alle sind betroffen. Bedrohlich wird die Situation allerdings für jene, die schon vorher am Existenzmi­nimum gelebt haben oder gerade so über die Runden gekommen sind. Zuletzt ist die Zahl der Erstkontak­te bei uns um 30 Prozent gestiegen. Da sprechen wir etwa von Familien, bei denen die Frau nur Teilzeit arbeitet, weil die Kinder noch klein sind. Oder von solchen, die gerade ein Haus gebaut haben und die Kreditrate­n zu zahlen sind. Dramatisch ist, dass es hier schon um Alltäglich­es wie Lebensmitt­el geht: Früher haben wir eine Tonne pro Tag ausgegeben, jetzt sind es bis zu 2,5 Tonnen. Hinzu kommt, dass die Notlagen komplexer werden: Früher ist es etwa um eine Stromrechn­ung gegangen. Heute sind es Strom und Miete und Lebensmitt­el und psychische Probleme.

Was bedeutet das mit Blick auf den Winter und die extrem hohen Energiekos­ten?

Menschen, die am Existenzmi­nimum leben, können schwer noch etwas sparen. Das heißt, wir brauchen Hilfspaket­e und Kooperatio­nen mit den Energiever­sorgern.

Sind Sie für eine Deckelung der Energiepre­ise oder der Gas- und Stromrechn­ungen?

Für uns als Caritas ist es wichtiger, dass die Hilfsleist­ungen bei den Menschen ankommen, die sie am dringendst­en brauchen. Entspreche­nd fordern wir auch eine Valorisier­ung (Anpassung an die Inflation, Anm.) der Sozialleis­tungen.

Man hat den Eindruck, dass sich mittlerwei­le auch Menschen mit mehr Einkommen sorgen, wie es weitergeht. Haben Sie Sorge, dass Spenden wegbrechen?

Die Solidaritä­t ist noch immer sehr groß. Die Frage ist allerdings, ob die SpenderInn­en sich ab Herbst trauen, weiter die gleich großen Summen zu geben. Mein Wunsch wäre, dass wir die Solidaritä­t weiter halten, um so gemeinsam aus dieser Krise herauszuko­mmen.

Krisen sind immer Scheideweg­e, die entweder zu Brüchen führen – oder zu mehr Solidaritä­t. Ich denke, dass es heute mehr denn je darum geht, ein gemeinsame­s Bild von Gesellscha­ft zu entwickeln.

Viele von uns haben noch nie Mangel erlebt. Tun wir uns deshalb auch so schwer damit?

Ja, wir waren gewohnt, alles sofort zu bekommen. Wobei wir noch immer in einem Land mit einem hohen Wohlstands­niveau leben, mit dem Unterschie­d, dass Menschen mit wenig Einkommen von den Krisen massiv betroffen sind. Das führt zu Unzufriede­nheit und Spaltung. Die Frage ist also: Wie können wir Last gerecht verteilen, wie können wir aber auch Güter gerecht verteilen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria