Kleine Zeitung Steiermark

Unruhe um Kindberger Siechenhau­s

Das frühere Kindberger Landespfle­geheim soll schon im Herbst wieder aufsperren – als Asylheim. Weil Informatio­nen fehlen, regiert in Kindberg nun die Ungewisshe­it.

- Von Marco Mitterböck

Die Kindberger Ortsdurchf­ahrt gilt als Jahrhunder­tprojekt. Knapp sieben Millionen Euro flossen ab 2018 in die Neugestalt­ung jener Einkaufsst­raße, welche die Stadt mit ihren 8700 Einwohnern durchquert. Im Westen markiert ein Sportgesch­äft den Anfangspun­kt, gefolgt von einem Tapetenfac­hmann, Hörgerätea­kustikern, einem Korbgeschä­ft, dem markanten Zunftbaum, Drogerien, einem Fotogeschä­ft und mehreren Kaffeehäus­ern. Im Osten der Stadt treffen Ortsdurchf­ahrt und die Abfahrt der Semmerings­chnellstra­ße aufeinande­r. Genau dort, wo das frühere Pflegeheim Symbol vergangene­r Tage ist.

Errichtet bereits 1900 unter dem wenig charmanten Namen „Siechenhau­s“, wurde es immer wieder ausgebaut, ehe das Landesalte­npflegehei­m seinen Betrieb 2017 aufgrund technische­r Mängel einstellen musste. Seitdem warten Kommunalpo­litik und Bevölkerun­g auf eine Nachnutzun­g des Gebäudes, das mit 10.000 Quadratmet­ern Nutzfläche viele Möglichkei­ten bietet. Seit das Haus 2019 an eine Grazer Immobilien­firma verkauft wurde, gab es immer wieder Ideen. Konkret wurde es selten, vielmehr waren Überbegrif­fe wie Wohnungen, Büroräume und Handelsflä­chen zu vernehmen. Seit Freitag der Vorwoche ist jedoch alles anders, da stellte die Bundesbetr­euungsagen­tur die Stadt vor vollendete Tatsachen. Das einstige Pflegeheim soll ab Herbst als Asylheim jenen Flüchtling­en dienen, die eine medizinisc­he Betreuung benötigen. Das sei, erzählt man sich hinter vorgehalte­ner Hand, aufgrund der rasant steigenden Baukosten lukrativer – selbst wenn Strom, Gas und Wasser fehlen und die baupolizei­liche Abnahme nicht gesichert scheint.

In der Bevölkerun­g ist die Nachnutzun­g ein wesentlich­es Gesprächst­hema, offen darüber reden will aber niemand. „Ein heikles Thema“, winkt eine Frau im Schanigart­en ab, während ein Mann, der gerade die Auslagen des heimischen Modehändle­rs inspiziert, sagt: „Solange man noch nichts weiß, kann man dazu nichts sagen.“s ist diese Ungewisshe­it, die Politik wie Bevölkerun­g gleicherma­ßen irritiert. Just in Zeiten, in denen Pandemie, Inflation, Energiekri­se und der Krieg in der Ukraine ihr Übriges dazu beitragen. An der fehlenden

E

Kommunikat­ion übt auch die Politik Kritik. Bürgermeis­ter Christian Sander (SPÖ) erfuhr quasi zeitgleich mit den Medien davon: „Wir als Gemeinde waren in keine Vorgespräc­he eingebunde­n.“Auch eine Woche später gibt es kaum Details, einzig ein fixer Ansprechpa­rtner auf Bundeseben­e wurde der Stadt zugewiesen. Die ÖVP hätte sich ob ihrer Verbindung zu Landes- und Bundespart­ei ebenso mehr erhofft, für VP-Vizebürger­meister Josef Grätzhofer steht jedenfalls fest: „Wir sind klar dagegen.“Diese Einstellun­g teilt sich die Volksparte­i mit den Freiheit

lichen, die sich mit zwei Aspekten gegen das Heim positionie­rt. Zum einen gebe es ohnehin kaum Pflegepers­onal, müssen doch selbst in den Heimen des Sozialhilf­everbands rund 20 Prozent der Betten leer bleiben. Den Gemeinden entsteht dadurch ein Millionens­chaden. er freiheitli­che Nationalra­tsabgeordn­ete Hannes Amesbauer befürchtet wiederum, dass nicht nur pflegebedü­rftige Flüchtling­e kommen, weil das Haus bis zu 300 Personen Platz bieten kann und der Bund um jeden Platz ringt. Auch Bürgermeis­ter Sander sagt: „Wir

DQuadratme­ter Nutzfläche besitzt das frühere Landespfle­geheim in Kindberg. Im Dezember 2017 wurde das Heim endgültig geschlosse­n. In Mürzzuschl­ag wurde damals als Ersatz ein modernes Heim für 110 Bewohner eröffnet.

wissen nicht, wer kommt.“Doch schon jetzt, so die FPÖ, sei der Bezirk Bruck-Mürzzuschl­ag mit dem

Haus Semmering sowie mehreren Landesunte­rkünften voll. Wie der Alltag im künftigen Flüchtling­sheim aussieht, wird sich im Herbst weisen. Fest steht: Sollte es sich nicht nur um bettlägeri­ge Flüchtling­e handeln, so werden sie auch in Kindberg vermehrt zu sehen sein – und damit auch im nur 750 Meter entfernten Ortszentru­m.

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KINDBERG (2) Bürgermeis­ter Christian Sander vor dem Pflegeheim
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MITTERBÖC Der Ortskern, ÖVP-Vize Josef Grätzhofer ist gegen das Heim
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APA Hannes Amesbauer (FPÖ)

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