Moskau stellt Türkei als Vermittler bloß
Russischer Raketenangriff auf Odessa bringt Türkei in die Klemme.
Während russische Raketen den Hafen von Odessa trafen, ließ sich Recep Tayyip Erdog˘an noch als erfolgreicher Vermittler feiern. Doch nun könnte der Getreide-Deal von Istanbul scheitern, bevor das erste Schiff losgefahren ist. Nach dem Angriff gab Erdog˘ans Verteidigungsminister Hulusi Akar zunächst ein russisches Dementi an die Weltöffentlichkeit weiter: Russland habe ihm versichert, nichts mit dem Beschuss zu tun zu haben, als ehemaliger Generalstabschef muss Akar da aber schon gewusst haben, dass die russische Darstellung nicht stimmen könne.
Nur Russland verfügt über die eingesetzten KalibrMarschflugkörper. Am Sonntag folgte die Bestätigung des Angriffs durch die russische Regierung. „Militärische Infrastruktur“sei zerstört worden, damit würde man nicht den Buchstaben des Istanbuler Vertrages widersprechen.
Doch der Angriff stellte die türkische Regierung bloß. Die Türkei steht als Vermittler da, der sich entweder von Russland täuschen lässt oder russische Angriffe leugnet. Ankara wurde von der russischen Bestätigung offenbar überrascht.
Russland könnte versuchen, mit einem Beschuss anderer ukrainischer Häfen den Start der Getreide-Lieferungen zu verhindern, so Serhat Güvenc, ein türkischer Sicherheitsexperte. Nach Zerstörung weiterer Hafenanlagen könnte Moskau demnach argumentieren, dass ukrainische Getreide-Exporte „technisch“unmöglich geworden seien. Russische Exporte, die in Istanbul mit einem eigenen Vertrag zwischen Moskau und der UNO abgesichert wurden, wären nicht berührt.
Sollte Russland an der ukrainischen Küste weiter angreifen, werde die Türkei als Vermittler in eine schwierige Lage geraten, meint Güvenc. Ankara müsste dann versuchen, Druck auf Russland zu machen, um den Istanbuler Vertrag vor dem Scheitern zu bewahren, hätte aber kaum Möglichkeiten dazu, denn weder die Türkei noch die UNO können Sicherheitsgarantien für die Ukraine abgeben.
Susanne Güsten, Istanbul
sie Russisch sprechen, weil sie nicht für Russen gehalten werden wollen. Ich kann es nachvollziehen, wenn jemand mit der russischen Sprache nichts mehr zu tun haben will. Die Wunden, die der Krieg verursacht, sind tief.
Über Anne Frank weiß man, dass sie ihr Deutsch im Exil in Amsterdam ablegte, ihr berühmtes Tagebuch auf Niederländisch schrieb. Viele russischsprachige Ukrainer, lehnen es jetzt aus ähnlichen Motiven ab, Russisch zu sprechen. Sie wollen sich sprachlich abgrenzen von den Invasoren, die ihre Wohnungen zerstören, sie aus ihrer Heimat vertreiben und durch die sie vielleicht sogar jemand Nahestehenden verlieren. Diese Entscheidung muss jeder selbst treffen. Kein Tschaikowski mehr, kein Tolstoi, nur weil Putin einen barbarischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine führt? Ich kann darauf keine Antwort finden. Ein Teil meiner Seele weigert sich, dies zu verbieten, ein anderer lehnt aber alles ab, was mit Russland zu tun hat. Obwohl ich jetzt jeden Tag Ukrai
QR-Code nisch spreche, wird Russisch, meine Muttersprache, durch diesen Krieg nicht einfach verschwinden, sie ist Teil von mir. Warum sollte ich meine Muttersprache verleugnen? Würde ich dies tun, so würde ich einen Teil meiner Identität aufgeben. Putin hätte genau das erreicht, was er wollte.
Für mich ist es kein Widerspruch, wenn ich im Alltag Russisch und Ukrainisch spreche, mich aber ganz als Ukrainerin fühle und unsere Kultur gegen die zerstörerische, hasserfüllte KremlIdeologie verteidige. Wir wollen von Russland nicht beschützt, sondern von seinem Terror befreit werden. Für mich blüht ein Land im friedlichen Austausch mit anderen Nationen auf, wenn sie sich gegenseitig achten und voneinander lernen wollen. Ich betrachte die Ukraine als Teil der großen europäischen Familie mit einem gleichberechtigten Platz innerhalb der Weltgemeinschaft – eine Ukraine, die vielfältig ist mit all den Kulturen und Sprachen, die sie vereint.