Weltensammler mit scharfem Blick
Der Autor und Übersetzer hält morgen die Eröffnungsrede in Salzburg.
Der Unterschied zwischen Salzburg und Moskau ist, dass in Salzburg die Reichen und Mächtigen, die im Publikum sitzen, sich Unangenehmes anhören müssen“, sagte Ilija Trojanow im Vorfeld seiner Eröffnungsrede für die Salzburger Festspiele. Man darf annehmen: Wenn der 56-jährige Autor, Übersetzer und Kolumnist morgen in der Felsenreitschule das Wort ergreift, dann hat er tatsächlich auch Unangenehmes zu sagen. Denn erstens ist der gebürtige Bulgare und Wahlwiener ein kritischer Kopf, der in zahlreichen Büchern und Essays die Untiefen unserer Gesellschaft ausgelotet hat. Und seine Rede trägt den Titel: „Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens“, unter anderem will er dabei der Frage nachgehen, „wieso es wichtig ist, als Gesellschaft Frieden tatsächlich zu schaffen, anstatt ihn gemütlich als Abwesenheit von Krieg zu konsumieren.“
Trojanow kann dabei auf vielfältige Erfahrungen – unter anderem als Flüchtling – zurückgreifen. Er war sechs Jahre alt, als seine Familie aus
Bulgarien nach Deutschland floh, 1972 bekam der Vater einen Job als Ingenieur in Kenia. Trojanow maturierte an der Deutschen Schule in Nairobi, gründete in den 1990er-Jahren in München zwei auf afrikanische Literatur spezialisierte Verlage, übersiedelte 1999 nach Bombay, später nach Kapstadt und lebt seit 2008 in Wien und Stuttgart. Das Flüchtlingsschicksal ließ ihn nie los: So erzählte er in „Nach der Flucht“von der lebenslangen Prägung durch Erfahrungen wie Einsamkeit und Anderssein.
Der Titel seines im Jahr 2006 erschienenen Bestsellers „Weltensammler“beschreibt auf gewisse Weise auch ihn selbst: Trojanow ist gerne ohne Gepäck abseits der Touristenpfade unterwegs, um neue Erfahrungen zu sammeln. Viele davon sind zu Literatur geworden, und so zählt er mit seinem umfangreichen, in rund 30 Sprachen übersetzten Werk für Salzburg-Intendant Markus Hinterhäuser „nicht nur zu den bedeutendsten, sondern auch engagiertesten Schriftstellern unserer Zeit.“