Absonderliche Abwägungen
Diese Woche entscheidet die türkis-grüne Koalition, ob Covid-Infizierte weiter in Quarantäne müssen. In Summe spricht inzwischen viel für eine Abschaffung der Absonderung.
Heute trifft Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) virtuell die Landeshauptleute, am Dienstag die Gesundheitslandesräte, am Mittwoch tritt die türkis-grüne Bundesregierung zu einem „Sommerministerrat“im Wienerwald zusammen. Sehr wahrscheinlich wird bei einem dieser Treffen die „Quarantäne“– gemeint ist die automatische Absonderung Covid-Infizierter – zu Grabe getragen. Wie genau, ist noch offen. Künftig könnten Infizierte nur noch „verkehrsbeschränkt“werden – also manche Orte (Krankenhäuser und Altenheime z. B.) gar nicht, andere nur mit FFP2-Maske betreten dürfen.
Die Abschaffung ist umstritten. Ihre Befürworter sagen, dass durch die behördliche Absonderung zigtausende Arbeitskräfte ausfallen. Aktuell sind mehr als 110.000 Menschen mit Covid infiziert, sie fehlen sowohl in der kritischen Infrastruktur – in Spitälern, in der Ferienbetreuung, in Versorgungsunternehmen – als auch im normalen Wirtschaftsleben.
Die Gegner der Lockerung warnen, dass mit der Abschaffung der Quarantäne der letzte
Stein aus dem Schutzdamm gegen die nächsten Wellen der Seuche genommen würde. Infizierte würden in hoher Zahl weiter in die Arbeit, zu Veranstaltungen, in Lokale und Supermärkte strömen und so neue Cluster verursachen, die bei Absonderung entfallen wären.
Beide Argumentationslinien haben etwas für sich. Covid ist nach wie vor eine potenziell schwere Erkrankung, an der Menschen sterben können, Wochen im Spital beatmet werden oder noch kaum erforschte Langzeitfolgen erleiden.
Auf der anderen Seite gibt es gegen schwere Folgen Impfungen – die sich besonders Risikogruppen immer wieder holen sollten – und immer bessere Behandlungsmethoden. Dazu kommt, dass die aktuellen Varianten des Virus zwar weiter hochansteckend, in der Gesamtstatistik aber weniger verheerend sind als frühere.
Der tage- und oft wochenlange Hausarrest von Menschen, verhängt von Verwaltungsbehörden, ist ein extremer Eingriff in das Leben und in die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Er braucht eine starke Rechtfertigung – etwa, dass dadurch eine systembedrohende Welle vereitelt werden kann.
Das dürfte jetzt nicht der Fall sein, erklärt etwa Simulationsforscher Peter Klimek. Auch die Beispiele von Ländern, die die Isolation abgeschafft haben (etwa die Schweiz, Spanien oder Großbritannien), stützen diese These. Zur Stunde – das kann sich schnell wieder ändern, wenn eine härtere Variante Überhand nimmt – spricht in Summe einiges für die Abschaffung der Quarantäne. under sollte man sich davon ebenso wenig erwarten wie Katastrophen: Wer Symptome hat, wird selbstverständlich weiter in Krankenstand gehen. Da der Großteil der Fälle bei Patienten mit Symptomen gefunden wird, wird sich die Belastung der Wirtschaft durch Abschaffung der Quarantäne nur teilweise lösen. So oder so: Corona wird ein Thema bleiben.
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