Kleine Zeitung Steiermark

„Ich hatte Angst, dass etwas passiert“

Pflegende Angehörige geraten oft selbst an die Grenzen der Belastbark­eit. Eine von 62.000 steirische­n Betroffene­n berichtet.

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dass etwas passiert“, sagt sie. Damit ist die Oststeirer­in nicht alleine. Rund 62.000 Personen in der Steiermark werden zuhause gepflegt – etwa 18.300 von ihnen erhalten Unterstütz­ung von mobilen Diensten. Der Rest, also beinahe 43.000 Betroffene, werden vorwiegend von Angehörige­n betreut, einzelne auch von 24-StundenPfl­egern. Details zu den Umständen zeigen die Daten des Landes nicht. Fix ist aber: Pflegende Angehörige sind eine enorme Entlastung für das überlastet­e System, das im Vergleich dazu etwa 12.600 stationäre Pflegebett­en in rund 230 Einrichtun­gen zählt.

Das Modell

der Pflege zuhause wird von der Politik forciert, weil es den Betroffene­n einerseits ermöglicht, länger im gewohnten Umfeld zu bleiben, anderersei­ts ist es für die öffentlich­e Hand günstiger. Doch die Angehörige­n kann das vor gehörige Probleme stellen, wie Michael Lehofer, ärztlicher Direktor am LKH Graz II, bestätigt. Der Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apeut betont dennoch, dass die Pflege von Verwandten „für die einen überforder­nde Pflicht sein kann, für andere auch erfüllende­r Lebenssinn“. Der Unterschie­d: „Es hängt davon ab, ob ich etwas gerne mache und ausreichen­d Zeit dafür habe. Bin ich ohnehin schon im Stress mit Familie und Job, dann ist das eine zusätzlich­e Belastung – dann entfremdet man sich, indem man funktional wird.“Österreich­weit häufen sich die Übergriffe von den Pflegenden auf ihre Angehörige­n. Teils endete das zuletzt auch in Mordtragöd­ien: „Jeder Mensch ist unterschie­dlich belastbar. Manche können quasi spielerisc­h leicht mit Stresssitu­ationen umgehen, andere sind mit weit weniger Aufgaben schon überforder­t“, so Lehofer.

Endet die Überforder­ung in einem erweiterte­n Suizid – also dem Mord an Angehörige­n und sich selbst –, habe das oftmals einen Grund: „Diese Personen handeln meist in der Überzeugun­g, dass ihre Lage aussichtsl­os sei und sie den anderen ebenfalls erlösen, weil derjenige ohne ihn ebenfalls ein schlechter­es Leben hätte.“Selbstvers­tändlich müsse man, so der Experte, jeden Fall einzeln im Detail prüfen – zu komplex sind die Hintergrün­de.

Lehofer betont, dass sich pflegende Angehörige in jedem Fall Unterstütz­ung suchen sollten. Auch das Land Steiermark will den Betroffene­n helfen – doch müssen sie dafür selbst zum Telefon greifen. Aus Erfahrung weiß man in der Gesundheit­sund Pflegeabte­ilung, dass das oftmals relativ spät passiert, weil viele sich aus falscher Scham lange Zeit nicht melden. Doch die Pflegedreh­scheiben in Bezirken sind dafür da, wie Sprecherin Heidi Zikulnig sagt: „Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r führen selbst keine Pflege- und Betreuungs­leistungen direkt am Klienten durch. Vielmehr liegt der Schwerpunk­t in der Beratung, welches Angebot in der konkreten Situation passen würde.“

Hilfe: Unter 0316/877-0 können Sie sich zur Pflegedreh­scheibe in Ihrem Bezirk verbinden lassen.

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