Kleine Zeitung Steiermark

Desertiere­n wir in die Vieltönigk­eit der Kunst

Gegen „Putins Groupies“und die Ein-Tönigkeit des Krieges: Ilija Trojanows fulminante Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele.

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Dienstag Mittag in Salzburg, unterm grauen Himmel auf dem Max-Reinhardt-Platz steht ein versprengt­es Grüppchen Demonstran­ten. Einer trägt das Modell eines Galgens in Händen, neben der Schlinge hat er ein Schild mit der Aufschrift „Government Repair Kit“, Regierungs­reparaturs­et, angebracht. So weit, so jämmerlich.

Interessan­t ist die aggressive Wortwahl höchstens, weil zur selben Zeit im Gebäude, auf der Bühne der Felsenreit­schule, der Autor und Essayist Ilija Trojanow eine fulminante Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele hält, in der es auch um die Gewalttäti­gkeit in der Sprache zu den Zeiten des Krieges geht. „Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens“lautet der Titel dieser Rede, Trojanow spricht darin über das komplexe Verhältnis von Kunst und Macht. Als ein Beispiel dafür nennt er den einst auch in Salzburg gefeierten, mittlerwei­le vom Westen verstoßene­n Dirigenten und Putin-Günstling Valery Gergiev. Diesen entlarvte der mittlerwei­le als politische­r Gefangener inhaftiert­e russische Opposition­elle Alexei Nawalny einst als „Großgrunde­inen, gewinnler“, der, vor allem in Italien, eine Vielzahl luxuriöser Immobilien sein eigen nenne.

„Das Ass im Ärmel dieses Dirigenten ist sein eigener Wohltätigk­eitsfonds, an dem er sich nach Belieben bedient“, führt Trojanow in Salzburg aus, „gefördert von den mafiösen Banken seines Landes. Und von der Moskauer Regierung.“Aber dem Redner geht es nicht bloß um Gergievs Machenscha­ften – Lügner und Heuchler gebe es nicht nur in Russland, argumentie­rt er. „Vergessen wir nicht die deutschen und österreich­ischen Groupies von Putin, die mit seinen Oligarchen Händchen gehalten haben“, sagt er, „bekanntlic­h wäscht eine lupenrein demokratis­che Hand die andere – darunter ehemalige Kanzler und Ministerin­nen“.

Die Mechanisme­n der Gier, so seine Argumentat­ion, hätten den Krieg begünstigt, der nun jedes Differenzi­erungsverm­ögen vereitle: „Die zerstörten Städte in der Ukraine sind nicht Ausdruck unfassbare­n Wahns, sondern unvermeidb­are Folge der Logik enthemmter Macht … Seit Kriegsausb­ruch sprechen wir die Sprache des Krieges. Antworten auf jede Frage mit einem entschiede­nen Ja oder Nein. Oft ohne die Frage wirklich verstanden zu haben. Reden von Kriegsverb­rechen und vergessen, dass der Krieg an sich ein Verbrechen ist, unabhängig davon, wie gerechtfer­tigt die Selbstvert­eidigung sein mag, egal, wie die Aggressore­n vordringen, der Krieg ist perverse, redundante Monotonie, die nichts anderes zulässt als den

Ton.“m Gegensatz dazu drückten sich die Künste in vielen Tonarten aus, so Trojanow in einer Rede, die den Bogen von den vergessene­n Gräueln österreich-ungarische­r Soldaten im Ersten Weltkrieg über die mörderisch­e Diktatur Stalins bis in die Gegenwart schlägt und die drängende Frage stellt, warum der Krieg nicht schon in Friedensze­iten bekämpft wird: „Wieso werden Soldaten und Generäle im öffentlich­en Raum geehrt, mutige Deserteure hingegen totgeschwi­egen, abgesehen von einem einzigen Mahnmal in Wien, das wie ein Alibi wirkt, errichtet nach sechzig schamhafte­n Jahren.“

Besonders der oft fragwürdig­en Beziehung zwischen Kunst und Geld widmet sich Troja

Iden

angeblich

wahren

now dann noch: Geldflüsse sabotierte­n Traditione­n und vergiftete­n das natürliche Rechtsempf­inden, hält er fest – und Sponsoring sei keineswegs wertneutra­l.

Dafür führt er den Bergbaukon­zern Solway an – ein Beispiel mit aktuellem Salzburger Bezug; erst vor wenigen Wochen haben die Festspiele einen Sponsoring­vertrag mit dem Unternehme­n gelöst, das in Guatemala Nickel abbaut.

„Okkupation­swirtschaf­t“nennt er das Vorgehen solcher Betriebe und fragt: „Darf sich die Kunst von mafiös organisier­ten Konzernen oder von Firmen finanziere­n lassen, die brutale Ausbeutung betreiben von Mensch und Natur?“Es sei „richtig und richtungsw­eisend“gewesen, „dass die Festspiele in diesem Fall eine unabhängig­e

Untersuchu­ng in Auftrag gegeben haben, die zu einem Abbruch der Beziehunge­n zu Solway geführt hat“. Denn auch die Ausbeutung von Boden und Bevölkerun­g sei letztlich „permanente­r Krieg, gegen unsere Mitmensche­n, gegen die Natur“. azit: „Wenn Wohlstand nur entstehen kann, indem Mitmensche­n geknechtet werden und Natur zerstört wird, dann wird es höchste Zeit, das System zu ändern, nicht nur die Sponsoring­regeln.“

Seine Rede beendet der Autor mit dem Appell, sich jenen Kriegen entgegenzu­stellen, „bei dem das Notwendige und Schöne vernichtet wird, oft um Überflüssi­ges zu schaffen“– und mit der Aufforderu­ng, „aus der Eintönigke­it des Krieges in die Vieltönigk­eit der Kunst“zu desertiere­n.

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APA Ilija Trojanow: „Höchste Zeit, das System zu ändern, nicht nur die Sponsoring­regeln“

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