Lassen sich die Deutschen ausbremsen?
Wie in Deutschland Atomkraft und Tempolimit auf Autobahnen in einer Debatte zusammengespannt werden.
Erdgas zur Stromgewinnung: Knapp ein Drittel des deutschen Gasverbrauchs fließt in die Erzeugung von Elektrizität. „Wir sollten jede Kapazität nutzen“, warb der FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner für eine längere
Laufzeit der Atommeiler und erntete Widerspruch: „Ich sehe nicht, dass Atomkraft die Antwort ist“, entgegnete Außenministerin Annalena Baerbock. Etliche Grüne sehen das inzwischen anders: Der Konflikt verläuft zwischen Älteren und Junviel gen. Vor allem die alte Garde, die mit dem Kampf gegen Atom die Grünen groß machten, wollen am Ausstieg festhalten. Jüngere sehen es pragmatisch.
Es geht um deutsche Grundsatzfragen: Autobahn und Atomstrom. Zwar ist auf weiten Teilen der Fernstraßen ohnehin nur Tempo 130 erlaubt. Aber nirgendwo verkörpert sich der deutsche Drang nach Freiheit mehr als in der Illusion der Höchstgeschwindigkeit. Im Ausstieg aus der Atomkraft wiederum spiegelt sich der tiefe deutsche Wunsch nach gesinnungsethischer Reinheit wider. Tempo und Atom also?
Robert Habeck fährt Zug, propagiert kurzes Duschen als Energiesparmaßnahme. Hält aber wenig von Atomkraft. Auch nicht als Brückentechnologie. Die SPD sieht das ähnlich, hält sich jedoch von der Debatte fern. Bundeskanzler Olaf Scholz versprach nur großzügige Energiehilfen – mehr ein Solidaritätsversprechen als ein Hinweis zur Fortbewegung.
Erst werden Deutschlands Atommeiler erneut Stresstests unterzogen. Dann wird über Weiterbetrieb entschieden. Von Stresstests auf Autobahnen ist nichts bekannt: So debattiert Deutschland über Undenkbares. Beides zusammen wird es nicht geben. Das Tempolimit kommt nicht. Nicht einmal in Zeiten von hohen Spritpreisen. Eine längere Laufzeit der letzten drei deutschen AKW scheint hingegen möglich.