Sommer vor dem Winter
Türkis-Grün steht unter Druck – von einer Mehrheit ist die Koalition in Umfragen längst weit entfernt. Umso vorsichtiger muss sie sein, wenn sie jetzt Hilfspakete schnürt.
Sommerministerrat“. Allein das Wort weckt schon Erwartungen: Ein Kanzler und sein Vize, die über sonnendurchflutete Wiesen schweben, gelöste Heurigenatmosphäre, eine Stimmung wie beim Urlauberschichtwechsel unter Ministerinnen und Ministern.
So war das bei den letzten solcherart inszenierten Klausuren in der Mitte der Ferien – aber nicht gestern in Mauerbach, obwohl der Tagungsort im Wienerwald das atmosphärisch durchaus hergegeben hätte. Schon die Bildersprache war eine andere: Statt Karl Nehammer und Werner Kogler in blühende Gärten zu verfrachten, inszenierte sich die Regierung in betont nüchternem Setting: am u-förmigen Klausurtisch und vor einer x-beliebigen Wand mit Flagge. In guter Stimmung, ja, aber klar: bei der Arbeit, nicht beim Vergnügen.
In der Sache war da wenig zu beschließen, aber viel schon Bekanntes noch einmal zu referieren: Die Gaseinlagerung laufe den Umständen entsprechend zufriedenstellend, meldeten Kanzler und Klimaministerin, Finanzminister und Vizekanzler erklärten, dass mit
Hochdruck an einem Strompreisdeckel gearbeitet werde – und Beamte sollen Tipps bekommen, wie sie – als gute Vorbilder – Energie sparen können.
Mehr als um Inhalt ging es in Mauerbach um die „Message“: Wir haben verstanden, wir nehmen Energie- und Teuerungsängste ernst, wir sind eh da.
Es ist eine Botschaft, die – auch wenn sich das niemand anmerken lassen wollte – auch dem Druck geschuldet ist, unter dem die Koalition aus ÖVP und Grünen steht. Multiple Krisen – von innen und von außen – haben das Vertrauen in die Regierung erschüttert: In einer Reihe von Umfragen kommen Türkis und Grün zusammen nur noch auf rund ein Drittel der Stimmen – würde heute gewählt, wäre diese Koalition unmöglich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in seinen Reden in Bregenz und Salzburg für seine Verhältnisse überdeutlich erkennen lassen, wie unzufrieden er mit der Kommunikation der Regierenden zuletzt war. Und es wird nicht leichter: Mitten in potenziell desaströsen Energie- und Corona-Monaten im Herbst und Winter stehen entscheidende Landtagswahlen an. ber Angst ist ein schlechter Ratgeber, unter Druck passieren Fehler. Und Fehler kann sich die Republik schön langsam nicht mehr leisten. Zum Beispiel beim Abfedern der enormen Teuerung bei den Energiekosten.
Dass jenen geholfen werden muss, die sonst im Dunkeln frieren müssten, steht außer Frage. Aber ob der Staat seinen Schutzschirm nach dem klugen Felbermayr-Modell auch über Durchschnitts- und Besserverdiener erstrecken soll, die Marktpreise wohl aus eigener Tasche verkraften würden, kann man hinterfragen.
In Zeiten schlechter Umfragen ist die Versuchung groß, Geld möglichst breit zu streuen. Aber die Schulden, die die Republik dafür macht, werden die nächsten Generationen zahlen müssen – wenn der Sommer längst vorbei ist.
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