„EU ist stark genug, um Meloni auszuhalten“
Politologe Janning über den Spielraum Melonis in der EU und die Unterschiede zu Orbán.
Wie gefährlich ist die italienische Wahlsiegerin und scharfe EU-Kritikerin Giorgia Meloni für Europa?
JOSEF JANNING: Die große Gefahr ist Meloni nicht. Aber die Politik mit der EU wird komplizierter, sperriger. Meloni wird schon aus symbolischen Gründen die nationale Karte spielen. Im Alltag der EU kann das wieder Verzögerung bedeuten. Aber man sollte sich davor hüten, sofort das Demokratie-Fallbeil rhetorisch aus dem Schrank zu holen. Die EU ist stark genug, auch eine solche Orientierungsphase der Regierung auszuhalten.
In Italien ist die Europa-Skepsis nicht so tief. Italiener sind Europäer, ihrem Gefühl nach. Aber sie sind bereit, dem Affen Zucker zu geben. Was ich bei Meloni nicht sehe, ist die Agenda der Rückabwicklung Europas. Die Italiener haben den Bundesstaat Europas lange gefördert. Auch weil sie der Meinung waren, dass Europa die Fähigkeit hätte, die Unzulänglichkeiten der italienischen Politik zu überwinden. Viele Italiener hätten bei der Wahl auch gegen mehr Europa nichts einzuwenden gehabt.
Was bedeutet der Sieg des Mitte-rechts-Blocks für andere Rechtsbündnisse in Europa?
Jeder Wahlsieg, ob in Schweden oder Italien, ist ein Beleg dafür, dass viele Menschen so denken. Viele verunsicherte Wähler warten genau auf solche Signale. Die Rechts-Themen
werden auch in anderen Ländern stärker werden. Nicht nur bei rechten Parteien. In Dänemark haben die Sozialdemokraten eine „rechtere“Position als die CSU in Deutschland.
Welche Auswirkung hat Melonis Sieg auf das Standing Italiens innerhalb der EU?
Natürlich wird Italien jetzt aufmerksamer beobachtet. Weniger, weil andere Regierungen Sorge vor „Orbanismen“haben, sondern mehr, weil sie wissen, dass Italien eine der Schlüsselwirtschaften der EU ist und deswegen die Haushalts-, Fiskal- und EU-Politik Italiens wichtig für den EUBetrieb insgesamt ist.
Wie groß ist der Spielraum für Meloni selbst?
Die jüngsten Programme der EU haben dementsprechende Demokratieklauseln. Man hat sie im Licht der Erfahrung mit Polen und Ungarn mit entsprechenden Auflagen versehen, sodass Mittel auch zurückgehalten werden können.
Inwiefern trägt eine Abkehr Italiens von der EU die Handschrift Melonis? Plant Italien mit Europa?
Man hört in den letzten Tagen öfter, wie wichtig Italien für den Aufbau der EU war. War es auch. Nur: Das ist schon lange nicht mehr so. Mit den ersten Kabinetten Berlusconis hat sich Italien aus der traditionellen Rolle als Treiber tieferer Integration verabschiedet. Der Ausfall Italiens als Baumeister Europas ist kein Ergebnis dieser Wahl.