Italiens Teufelskreis
Giorgia Meloni ist die vorläufig Letzte einer Reihe von Populisten in Italien. Alle ihre Vorgänger feierten große Erfolge, stürzten dann aber brutal ab.
Das Rechtsbündnis in Italien um Giorgia Meloni hat die Parlamentswahl in Italien für sich entschieden und kann künftig mit absoluter Mehrheit in Rom regieren. Und doch kommt die Italien-Wahl keinem Plebiszit für die Ultrarechten gleich. Die Wahl Melonis und ihrer postfaschistischen Brüder Italiens ist der jüngste Aufschrei gegen das System. Es ist aber nicht der erste. Und das ist Melonis politische Achillesferse. Die Italienerinnen und Italiener haben Meloni gewählt, weil sie mit ihrem Latein am Ende sind. Die Abscheu gegen die herrschende politische Klasse, repräsentiert von der noch amtierenden Regierung Mario Draghis, ist der Grund für das Wahlergebnis.
Alle populistischen Parteien der vergangenen Jahre in Italien erlebten große Erfolge, stürzten dann aber brutal ab. Bei der Parlamentswahl 2018 erreichte die heute eindeutig linke Fünf-Sterne-Bewegung 33 Prozent der Stimmen. Das Wahlergebnis war wie ein lautes Aufbegehren des Volkes gegen „die da oben“. Am Sonntag bekamen die Cinque Stelle, die seither selbst Teil des Systems sind, nur noch weniger als die Hälfte der damaligen Stimmen.
Die linken Populisten taten sich 2018 mit den Rechtspopulisten der Lega Matteo Salvinis zusammen. Salvini ging brutal gegen Migranten und Hilfsorganisationen vor. Bei der EU-Wahl 2019 kam seine Lega auf 34 Prozent der Stimmen. Am Sonntag erreichte die Lega nur noch neun Prozent, sein Niedergang begann aber nicht erst mit der Unterstützung der Regierung Mario Draghis. Die Moral aus der Geschichte ist: Wer in Italien an die Regierung kommt, zieht früher oder später den Kürzeren bei den Wählern. Das könnte auch für Giorgia Meloni gelten.
Ihre Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme einer Frau gegeben, die jahrelang in der Opposition Stimmung gegen die jeweilige Regierung machen konnte. Meloni war die letzte Wahl der Italienerinnen und Italiener, die sich einfache
Lösungen versprechen. Der Erfahrung nach werden auch sie sich in einiger Zeit enttäuscht von der aktuellen Retterin abwenden. Das ist der Teufelskreis der italienischen Politik.
Doch dieses Wahlergebnis deutet bereits auf eine gewisse Abschwächung dieses Phänomens hin. Die Sterne bekamen vor vier Jahren aus dem Stand 33 Prozent, Salvinis Lega ein Jahr später 34 Prozent der Stimmen. Die Anti-System-Frau Meloni erreichte nun 26 Prozent, die Wahlbeteiligung in Italien ist auf den historischen Tiefstand von 64 Prozent gefallen. Das zeigt: Ein Drittel der Wählerinnen und Wähler hat längst den Glauben in die Politik verloren. Das Wahlvolk ist müde angesichts der sich immer wiederholenden Enttäuschungen. ie Frage ist, wo Italien in ein bis zwei Jahren steht und ob dann erneut eine Anti-System-Kraft glaubhaft den Wandel verspricht. Italiens Probleme sind viel zu komplex, als dass sie im Handumdrehen gelöst werden könnten. Diese Erfahrung muss nun nicht nur die Siegerin vom Sonntag machen, sondern bald auch alle Italienerinnen und Italiener.
D