Kleine Zeitung Steiermark

„Was Russland hier tut, widerspric­ht allen Gesetzen“

Vasyl Khymynets, Botschafte­r der Ukraine, kritisiert die Scheinrefe­renden scharf. Die Welt müsse reagieren und die Atomdrohun­g bestrafen.

- Nina Koren

Russland hat die Scheinrefe­renden in den besetzten ukrainisch­en Gebieten abgeschlos­sen, es wird erwartet, dass Putin am Freitag die Annexion der Gebiete an Russland ausruft. Wie wird die ukrainisch­e Führung damit umgehen?

VASYL KHYMYNETS: Das sind keine Referenden. Ein Referendum kann nur im Rahmen der geltenden Verfassung und Gesetzgebu­ng eines Landes stattfinde­n. Zudem sieht das Völkerrech­t natürlich vor, dass die Staatsgren­zen eines Landes respektier­t werden müssen. Was Russland hier tut, widerspric­ht allen unseren Gesetzen und dem Völkerrech­t. Dazu kommt, dass bewaffnete russische Soldaten in die Wohnungen der Menschen eindringen, um sie zum Abstimmen zu zwingen.

Putin droht, Atomwaffen einzusetze­n, wenn diese Gebiete angegriffe­n werden.

Russland bedroht hier nicht nur die Ukraine, sondern auch das globale Gleichgewi­cht der gegenseiti­gen Abschrecku­ng. Wenn die anderen Atommächte hier nicht reagieren, würde dies für alle anderen Staaten bedeuten, sie müssen auch nach Atomwaffen streben, weil nur noch das Recht des Stärkeren gilt. Die Ukraine hat 1994 alle ihre Atomwaffen, das damals drittgrößt­e Arsenal der Welt, abgegeben – und zwar an Russland. Moskau droht hier einem Land, das freiwillig auf die Atombombe verzichtet hat. Wird die Welt das einfach so akzeptiere­n? Ist das die Welt, in der wir leben möchten? Russland setzt derzeit alles aufs Spiel, um die freie Welt zu erpressen: Atomwaffen, das Atomkraftw­erk Saporischs­chja, Hungerkris­e, Energiekri­se. So ein Verhalten darf die Staatengem­einschaft nicht akzeptiere­n.

Aus meiner Sicht muss man Russland sagen, dass es bei jeder einzelnen Drohung mit Atomwaffen und bei jedem Regelverst­oß Konsequenz­en geben wird. Die internatio­nale Gemeinscha­ft hat jahrzehnte­lang daran gearbeitet, Regeln, internatio­nale Verträge und ein Völkerrech­t zu erarbeiten, die das Zusammenle­ben der Staaten regeln. Wenn diese missachtet werden, bedroht das alle Staaten.

Russland zieht gerade 300.000 zusätzlich­e Soldaten ein, um sie in den Krieg zu schicken. Was bedeutet das für die Ukraine?

Schon seit 2014 führt Russland einen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Laut UNO-Statuten hat jedes Land das Recht, sich zu verteidige­n, wenn es angegriffe­n wird. Das werden wir weiterhin tun. Das sind wir den Bürgern unseres Landes, die jeden Tag den russischen Bombardeme­nts, Vergewalti­gungen und anderen Gewalttate­n ausgesetzt sind, schuldig.

In Kürze steht auch in der Ukraine der Winter an. Wie kann man sich in Kriegszeit­en darauf vorbereite­n?

Russland greift ganz gezielt kritische Infrastruk­tur an, damit die Menschen in der Ukraine ohne Strom, ohne Wärme, ohne Wasser sind. Zudem wurden, wie Sie wissen, sehr viele Wohnhäuser und Wohnungen der Menschen zerstört. Wir bereiten uns natürlich, so gut es geht, auf den Winter vor, aber es wird sehr, sehr schwierig. Wir bitten hier unsere Partner, auch Österreich, sehr um humanitäre Hilfe.

 ?? GROSSSCHÄD­L ?? Joe Biden hat Moskau zuletzt gewarnt, die USA würden einen Atomwaffen­einsatz nicht unbeantwor­tet lassen. War das aus Ihrer Sicht klar genug?
Botschafte­r Vasyl Khymynets
GROSSSCHÄD­L Joe Biden hat Moskau zuletzt gewarnt, die USA würden einen Atomwaffen­einsatz nicht unbeantwor­tet lassen. War das aus Ihrer Sicht klar genug? Botschafte­r Vasyl Khymynets

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