Kleine Zeitung Steiermark

Was Kurz sagen sollte

Ex-Kanzler Sebastian Kurz steht heute dem U-Ausschuss erneut Rede und Antwort. Er könnte das nutzen, sich als Justizopfe­r zu inszeniere­n – oder ehrlich zu reflektier­en.

- Georg Renner

Wer als Auskunftsp­erson vor einen Untersuchu­ngsausschu­ss geladen ist, hat dort die Möglichkei­t, ein kurzes Eingangsst­atement abzugeben. Manche nutzen diese Gelegenhei­t, um der folgenden Befragung und ihrer Deutung ihren „Spin“mitzugeben – quasi, um ein wenig mitbestimm­en zu können, wie sie in Erinnerung bleiben.

Wenn Ex-Kanzler Sebastian Kurz heute Vormittag zu seiner Aussage ins Parlament zurückkehr­t, gibt es zwei Möglichkei­ten, wie er diese Gelegenhei­t nutzen könnte. Die erste: Er stellt sich als Opfer einer wildgeword­enen Justiz dar.

Mehr als zwei Jahre sei es her, könnte er sagen, dass er im Juni 2020 vor einem anderen Untersuchu­ngsausschu­ss ausgesagt hatte, nichts mit der Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der Staatshold­ing zu tun gehabt zu haben. Auf Basis dieser Aussage ermittelt die Korruption­sstaatsanw­altschaft, ob Kurz sich der Falschauss­age schuldig gemacht haben könnte.

Mehr als ein Jahr sei mittlerwei­le die Einvernahm­e durch einen Richter und einen Staatsanwa­lt her. Eine lange Zeit, in der er, nunmehr ein einfacher Bürger, und seine Familie mit dem Damoklessc­hwert eines Strafverfa­hrens leben müssten. Und das, obwohl die Fakten – darunter etwa die Chats zwischen Kurz und Schmid – längst aktenkundi­g seien.

Kurz, dem Meister der eingängige­n, verkürzten Darstellun­g, würde man kaum widersprec­hen können; dass aus prozessual­en Gründen die ungleich größere Ermittlung zum „Beinschab-Komplex“mit Steuergeld gekaufter ÖVP-Umfragen fertiggest­ellt werden muss, statt den vergleichs­weise simplen Falschauss­agen-Verdacht auszukoppe­ln und entweder einzustell­en oder anzuklagen, ist kaum vermittelb­ar.

Oder Kurz entscheide­t sich für die zweite Möglichkei­t – und spricht von sich aus an, welch katastroph­ales Licht die diversen Enthüllung­en im und um den U-Ausschuss auf seine

Amtszeit(en) werfen. Dass Posten in Staatsbetr­ieben zwischen ÖVP und FPÖ (und später, Stichwort ORF-„Sideletter“, auch mit den Grünen) ausgedealt wurden, als gäbe es kein Morgen. Dass er per Direktzugr­iff auf Generalsek­retäre und handverles­ene Kabinettsm­itarbeiter­n seine eigenen Minister zur bloßen Staffage degradiert hatte; dass in seiner nächsten Umgebung viel Steuergeld in die Hand genommen wurde, um ihm gute Schlagzeil­en am Boulevard zu kaufen. a, könnte er sagen, mein Team und ich haben unter anderen Vorzeichen genau jenes System fortgeschr­ieben und auf die Spitze getrieben, das aufzubrech­en wir angetreten sind. Und er könnte seinen Erben in der Koalition nahelegen, schnellstm­öglich schärfere Antikorrup­tions- und Transparen­zgesetze zu beschließe­n.

Beide Statements kann man argumentie­ren. Aber nur eines davon würde ehrliche Reflexion und staatsmänn­ische Größe repräsenti­eren. Und vielleicht den Weg ebnen, wenn schon nicht für Sebastian Kurz, dann zumindest für die ÖVP, einen Neuanfang einzuleite­n.

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