Ein Wahlkämpfer, der nicht kämpft
Alexander Van der Bellen setzt ganz auf den Amtsbonus als Bundespräsident.
Aufgeregt trippelt das siebenjährige Mädchen durch die Gasthaustür und ruft: „Sie kommen, sie kommen!“Rund 20 Unterstützerinnen und Unterstützer in schwarzen „VdB 2022“-Leibchen machen sich bereit. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat Alexander Van der Bellen und die Grüne Landeschefin Olga Voglauer im Schlepptau. Neugierig erheben sich einige Gäste. Präsidiales Händeschütteln in der Gaststube im Klagenfurter Bierlokal „Zum Augustin“. Selfie-Wünsche, auch vom Koch. „Schön, dass Sie da sind. Guten Appetit!“
Ein geborener Wahlkämpfer ist der Bundespräsident nicht. „Aber ja, wenn man mal drin ist, freut’s mich eh“, sagt er. „Fotos, Fotos, Fotos, liebe Leute, Zuspruch auf der Straße.“Gefüllt seien die Tage auch mit vielen Terminen, die er als Amtsinhaber wahrzunehmen hat. Er wirkt etwas müde, wenig kämpferisch. Den Ausdruck „Kampf“vor einer Wahl findet er „komisch“. Der Blick fällt auf die Kellnerin mit den Schnitzeltellern in der Hand. „Ma, das schaut gut aus.“
Es ist ein kurzer Besuch in Kärnten. Vier-Augen-Gespräch mit Kaiser („Ich unterstütze ihn gerne, wir sind gut befreundet.“), Händeschütteln bei einer Pensionierungsfeier, Interview, Gespräche mit Unterstützern. und fünf Personenschützer sind ständige Begleiter. Bei einem doppelten Espresso verteidigt Van der Bellen seine Nicht-Teilnahme an Diskussionen mit den sechs Mitbewerbern. „Mich kennt man. Ich sehe keinen Sinn darin, mich auf ein Duell einzulassen. Ein Duell ist, wenn einer tot liegen bleibt – wenn man es wörtlich meint.“Verantwortungsbewusstsein sei wichtig für ein Amt, das durch die Verfassung mit „erheblicher Macht“ausgestattet sei. Manche Ansagen der anderen Kandidaten irritieren ihn, vor allem „diese Leichtfertigkeit, Chaos erzeugen zu wollen“. Der Präsident sei „kein Alleinherrscher, kein Spieler, der das nach Gutdünken einmal so und einmal so macht“. Konkrete Zukunftsansagen bleibt er schuldig. Manches wolKampagnenteam le er noch für sich behalten. „Ich will sie nicht zum Wahlkampfthema machen, sondern danach diskutieren.“Ist er Kandidat des Establishments? „Geh bitte!“, sagt der 78-Jährige und verweist auf seine Kindheit in einem armen Bergbauerndorf. „Das ist meine Schwester“, ruft die Siebenjährige. „Ah, hallo. Freut mich.“– „Bitte noch ein Foto.“in Paar diskutiert angeregt. „Geb’ ma ihm noch a Chance“, meint die Frau. „Mir is’ des wurscht. Der Präsident hat eh keine Macht“, sagt ihr Ehemann und widmet sich seiner Fritattensuppe. „Alles Gute, Herr Präsident!“, ruft die Familienrunde am Nebentisch Van der Bellen zu. Bei ihnen ist der Tenor deutlich: „Er ist ein Staatsmann, unsere Stimmen hat er.“Und: „Es ist gut, dass er sich nicht auf das Schlachtfeld der Diskussionen begibt.“
27 Medientermine stehen in den nächsten zehn Tagen noch an, erzählen seine Begleiter. Sie drängen zum Aufbrechen, man müsse zurück nach Wien. Doch Van der Bellen besteht noch darauf, Hund „Flocke“im Innenhof zu streicheln. Die Besitzerin, eine ÖVP-nahe Anwältin, ist begeistert. „Ich bin ein großer Fan von ihm.“An seiner Wiederwahl zweifelt sie nicht. Van der Bellen selbst wünscht sich „Klarheit im ersten Wahlgang – sonst hängen wir noch vier Wochen an.“
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