„Der Tod hat etwas Tröstendes“
Marco Wanda über Album Nummer fünf, Tod, Exzess, Gesundheit und zehn Jahre Bandbestehen.
Das Gespräch mit Marco Wanda fand bereits am 13. September statt. Zwei Wochen später wurde publik, dass Christian Hummer, Keyboarder und Gründungsmitglied der Band, mit 32 Jahren verstorben war. Zuvor musste Wanda schon Konzerte ohne ihn absolvieren. Hummer galt als stilles Mastermind, das gerne zwischen Rock und Klassik changierte. Sein erstes Klavierquartett hatte er mit acht geschrieben. Mit seiner Zweit-Band Loeweloewe feierte er ebenso Erfolge. Auch rief er das Label „Radio International“ins Leben, das junge Musikschaffende förderte.
Das Album, das am 30. September erscheint, heißt schlicht „Wanda“. Es hat eine große Melodienseligkeit. Ist es das befreiteste Album? Hat sich das Selbstverständnis der Band geändert?
MARCO WANDA: Irgendwie sind wir heute angekommen in dem, was wir machen. Wir machen uns selber keinen Druck mehr. Niemand hat so schnell eine Platte von uns erwartet. Zehn Jahre gibt es die Band, und ich würde sagen, sieben davon operieren wir an der absoluten Spitze. Das hat seine Spuren hinterlassen, körperlich und seelisch, ohne Frage. Aber wir sind jetzt angekommen und wissen, was wir tun und was uns guttut. Bei dieser Platte hatten wir einfach Spaß. Spaß am Musikmachen.
Sie haben den Spaß also zwischenzeitlich verloren gehabt? Was war der Grund?
Ja, beim Vorgängeralbum war er ein bisschen verschwunden. „Ciao“stand noch im Schatten dieses Mega-Erfolgs der Single „Columbo“. Da waren ja der Song und das Album gleichzeitig auf Platz eins der Charts. Das hat mir nicht so geschmeckt. Auch nicht als Lieder-Schreiber. Das hat dann doch irgendwie Druck gemacht. Und es hat mir nahegelegt, ein Nummer-1Hit wäre etwas, dass man wie ein Alchemist entschlüsseln könnte. Dann habe ich mich hingesetzt, monatelang, und versucht, dieses Geheimnis zu entschlüsseln. Aber da war zu viel Druck im Spiel. Und dann kam die Pandemie, der komplette Stillstand. Das war so ein Freibrief, wieder in seinen eigenen vier Wänden machen zu können, was man will.
Ist jetzt „alles ein bisschen wurscht“, wie Sie auf „Va bene“singen?
Wir hatten im Studio mit unserem Produzenten Paul Gallister irgendwie wieder den Schwung der Anfangstage. Und mit diesem fünften Album ist schon auch ein Stück weit ein Zyklus abgeschlossen. Wir beschäftigen uns gerade sehr damit, wie die Band in Zukunft klingen
der gesamten Corona-Zeit, die Treue gehalten. Ich würde mich jetzt auch schämen, wenn ich da als verkatertes Wrack auf die Bühne kriechen würde. Die Leute haben uns im Moment in unserer Höchstform verdient. Das heißt jetzt aber sicher nicht, dass ich meinen hedonistischen Lebensstandard einschränke.
Sie haben im Vorfeld gemeint, dass Sie sich noch nie so intensiv mit Texten auseinandergesetzt haben wie auf diesem Album. Wohin wollten sie vordringen? Wo sind sie gelandet?
Ich wollte viel mehr über das Leben, das wir alle leben, schreiben. Ich wollte nicht so abstrakt und uneindeutig sein.
Nicht so verkopft und clever wie zuletzt. Das Schreiben ist einfach viel Arbeit. Lieder zu komponieren, passiert nicht nebenbei. Für ein gutes Lied zu arbeiten, ist Kampf genug. Wenn Musikmachen ein eindeutiges Handwerk wäre, würde ich die ganze Zeit Texte schreiben, die Menschen zutiefst bewegen. Aber das ist eine Illusion.
Ist Wanda Therapie für jeden? Ich habe das Gefühl, alle meine Texte sind immer eine Art Traumatherapie. Für alle, für mich, für alle gleichzeitig.
Das Album beschäftigt sich unmittelbarer als sonst mit dem Tod, dem Vergänglichen. Haben Sie Angst vor dem Sterben?
Wanda. Wanda. Universal. Das Album erscheint am Freitag.
Ja, in Phasen. Das kommt und geht. Das haben wir Menschen alle gemeinsam – den Tod. Egal, ob arm oder reich, Beatles- oder Stones-Fan. Ich finde darin auch immer etwas Tröstendes. Ich gehe immer vom Tod aus beim Schreiben. Ich schreibe das hier für mich und für andere Menschen, die wir alle gemeinsam eines Tages sterben werden. Das ist für mich das Tor zur Nächstenliebe. Es tut mir einfach unfassbar leid, dass wir Menschen den Tod erleben müssen. Das trägt mich schon auch beim Texten.
Die Band feiert mit dem aktuellen Album, das am 30. September erscheint, zehnjähriges Jubiläum. Was hat sich verändert? Wo steht Wanda heute?
Wir müssen langsam anerkennen, dass wir bleiben. Wir haben zehn Jahre an der Grenze zu unserer eigenen Vernichtung gelebt und das Gefühl gehabt, morgen ist es wieder vorbei. All das bündelt sich jetzt. Ich fühle mich das erste Mal rundum wohl, muss ich sagen. Ja, ich habe das erste Mal das Gefühl, das hört morgen nicht auf. Das beruhigt mich sehr.