JAIR BOLSONARO Anti-Demokrat und „Trump Brasiliens“
Bilanz für den amtierenden Präsidenten Brasiliens fällt mehr als ernüchternd aus.
Jair Bolsonaro ist kein Mann der Muße, des Maßes oder der Nachhaltigkeit. Der brasilianische Präsident kennt nur die Extreme. Der 67-Jährige hat eine politische Karriere hingelegt, in der es steil nach oben – und nun wieder steil nach unten geht. Vor vier Jahren von den Hinterbänken des Parlaments in den Präsidentenpalast befördert, könnte nach einer Amtszeit wieder Schluss sein.
Zu desaströs war seine Amtsführung, zu schlecht waren seine Ergebnisse, zu sehr polarisierte er. In seinen vier Jahren an der Macht hat sich der Ex-Fallschirmjäger als Verächter der Demokratie gezeigt. Politische Gegner, Medien, Gerichte und Wahlbehörden sowie alle Institutionen, die ihn in der demokratischen Spur halten wollen, demontierte er. Gewinnt er am Sonntag oder in der Stichwahl in vier Wochen, wird er den Bruch der Institutionen und der Demokratie vollenden. Es sieht nicht danach aus: Bolsonaro machen sein katastrophales Pandemie-Management, die Verhöhnung der 680.000 CoronaTodesopfer, der Absturz der Wirtschaft sowie steigende Armut zu schaffen.
2018 gelang es ihm, als AntiEstablishment-Kandidat wahrgenommen zu werden, der die korrupte Politelite zu verjagen versprach. Das hievte ihn ins Amt. Nun gehört er zum einen selbst zum Establishment und ist dabei, das wichtigste Land Lateinamerikas abzuwirtschaften und in einen Paria-Staat zu verwandeln. Die Weltgemeinschaft blickt wegen des Raubbaus an der Natur mit Verachtung auf Bolsonaros Brasilien: Die Abholzung im Amazonasgebiet hat unter ihm Rekordwerte erreicht. Er sieht den Regenwald als wirtschaftliches Potenzial, schredderte Umweltschutzbehörden und änderte Gesetze, die die grüne Lunge der Erde schützen.
Wenn Bolsonaro einmal nicht hetzt und droht, wird sein Diskurs dünn: Gestalten und Entwerfen sind seine Sache nicht. Bei Auftritten wie bei der UNO in New York wirkt er unbeholfen. Bolsonaro setzt vor allem auf seinen
Hass auf alles Linke. „Niemals wird auf meinem Stuhl ein Kommunist sitzen“ist einer seiner Kernsätze. Oder: „Gott brachte mich in den Präsidentenpalast, nur Gott holt mich raus.“
Gott brachte mich in den Präsidentenpalast, nur Gott holt mich hier raus. amtierender Präsident
er immer mit der Loyalität von Polizei und Streitkräften: Wie kein anderer Präsident seit der Demokratisierung Brasiliens hat Bolsonaro seine Regierung militarisiert. Mehr als 6000 Militärs bekleideten Posten in Ministerien. Viele seien Entscheidungsträger, sagt Politologe Oliver Stuenkel vom Thinktank „Fundação Getulio Vargas“, darunter Minister, Vizepräsident und Ex-General Hamilton Mourão. Es ist unklar, ob Bolsonaro eine Niederlage hinnehmen oder eine solche wie Donald Trump 2021 mittels Sturms auf das Parlament zu drehen versuchen würde. Je klarer der Sieg „Lulas“, desto kleiner die Chance für den Ultrarechten, anzufechten.
„Lula“, Ex-Präsident und Kandidat der linken Arbeiterpartei PT, liegt laut Umfragen eine Woche vor der Wahl mit 47 Prozent klar vor dem radikal rechten Demokratieverächter Bolsonaro (33 Prozent). Es scheint sogar ein Wahlsieg im ersten Wahlgang möglich, wofür 50 Prozent notwendig wären. „Lula“setzt auf einen demokratischen Gegenentwurf zu Bolsonaro. Er appellierte an die Zeiten, als er Brasilien zwischen 2003 und 2011 regierte und die Menschen, wie er sagt, „friedlicher und glücklicher“waren. Damals gelang es Millionen, der Armut zu entkommen. Tatsächlich waren es rückblickend goldene Jahre: Die Weltmärkte fragten Soja, Mais, Weizen, Fleisch, Öl und Gas aus
Brasilien massiv nach. Das Devisenkonto schwoll an. Die Wirtschaft boomte, das größte Land Lateinamerikas stieg vom Schwellenland zum Land der Zukunft auf und war nach „Lulas“Amtszeit die sechstgrößte Volkswirtschaft. Am Ende der ersten Amtszeit Bolsonaros steht Brasilien auf Platz 13. Der Hunger ist zurück, 33 von 215 Millionen Brasilianern werden nicht mehr satt.
Dabei hat Bolsonaro nichts unversucht gelassen, um aufzuschließen: Er baute das Nothilfeprogramm „Auxílio Brasil“(„Hilfe für Brasilien“) aus, erhöhte Zuwendungen um 50 Prozent und verlängerte es. In diesem Rahmen erhalten bedürftige Familien monatlich über 115 Euro Hilfe. Es gibt Gutscheine für Kochgas und Direkthilfen für Taxi- und Lkw-Fahrer. Dafür gab Bolsonaro umgerechnet 8 Milliarden Euro Staatsgeld aus. Genutzt hat es offensichtlich nur wenig.
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