Kleine Zeitung Steiermark

Milliarden­schweres Pflaster

Der Energiekos­tenzuschus­s soll die ärgste Not von Betrieben lindern. Letztlich bleibt er Symptombek­ämpfung. Vor allem die Gefahr der Deindustri­alisierung wird nicht gebannt.

- Uwe Sommersgut­er

Haushalte erhielten als Ausgleich für exorbitant steigende Energiekos­ten bereits Kompensati­onszahlung­en. Der mit der Gießkanne befüllte Förderteic­h produziert dabei mitunter seltsame Blüten. Aber nicht nur Millionen Haushalte, auch Hunderttau­sende Firmen sind dem Treiben auf den internatio­nalen Energiebör­sen ausgeliefe­rt. Betroffenh­eiten mögen variieren, ein Faktum eint alle: Energie war lange spottbilli­g – ein Durchlaufp­osten, bei dem es galt, sich stets aufs Neue die günstigste­n Preise zu sichern, statt sich langfristi­g abzusicher­n. Mit dem russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine änderten sich diese Bedingunge­n von Grund auf.

Keine Branche steckt die um das bis zu Zehnfache gestiegene­n Preise für Energie locker weg. Höhere Kosten einfach auf Preise umzulegen, spielt es sich meist nicht mehr. Entweder sind teuerungsg­eplagte Kunden nicht mehr in der Lage oder willens, Preissprün­ge mitzumache­n. Oder außereurop­äischer Mitbewerb gestaltet seine Preise nach anderen Spielregel­n.

Damit steigt die Gefahr irreversib­ler Erschütter­ungen, das

Gespenst der Deindustri­alisierung geht um. Wenn Gas in Europa sieben Mal so teuer ist wie in den USA, werden hier energieint­ensive Branchen mittelfris­tig keine Zukunft haben – trotz Subvention­en. Und es sind längst nicht Exoten, die in Europa auf verlorenem Posten stehen könnten, sondern Evergreens der Metall-, Kunststoff-, Papier-, Baustoff- oder Chemieindu­strie. Brechen die weg, sind ganze Wertschöpf­ungsketten und zahllose Arbeitsplä­tze Geschichte. Dass gestoppte Industrieb­etriebe einfach wieder aufsperren, ist nur Wunschdenk­en.

Ja, wir erinnern uns gut: Nach den vielen, teils zu schrillen Hilferufen aus der Wirtschaft während der Pandemie ist man versucht, nur mit halbem Ohr hinzuhören. Lauert hier bereits die nächste Überförder­ung?

Eher nein. Denn noch schützen Fixpreise für Energie viele Betriebe vor der vollen Wucht, erst 2023 wird die Preiskeule richtig zuschlagen. Dass in zwei der vier Förderstuf­en Betriebsve­rluste vorausgese­tzt werden, um einen Teil der Mehrkosten ersetzt zu bekommen, ist wenig schlau – dann kann es für viele bereits zu spät sein.

Nicht auf die Säulen der Industrie, sondern kleinere Kaliber zielen Förderbedi­ngungen, die zum Abdrehen von Heizschwam­merln und Sitzheizun­gen in Sessellift­en zwingen. Stromspare­n in allen Lebenslage­n als Voraussetz­ung für eine Förderung ist jedenfalls sinnvoll und nachahmens­wert. etztlich bleibt der zeitlich zu knapp befristete Energiekos­tenzuschus­s Symptombek­ämpfung. Nur ein energetisc­h weitgehend unabhängig­es Österreich kann sich vor der Willkür von Diktatoren und Extremauss­chlägen auf den Märkten schützen. Diese Energie, mit der die Regierung die Not der Haushalte und Betriebe lindert, wünscht man sich auch an anderer Stelle. Beim viel zu zögerliche­n Ausbau erneuerbar­er Energien sah man in den sieben Monaten seit Kriegsbegi­nn ähnliche Anstrengun­gen mit freiem Auge jedenfalls nicht.

L

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria