Kleine Zeitung Steiermark

Covid-Tote, aber ohne Virus

Bus, mit dem Menschen im Rahmen der von oben verordnete­n „Null-Covid“-Strategie aus Großstadt Guiyang evakuiert wurden, verunglück­te: 27 Insassen starben, Chinas Volksseele kocht.

- Josef Dollinger

Oft kommt es vor, dass Chinesinne­n und Chinesen vor Schreck zusammenzu­cken, wenn sie einen Autobus ums Eck biegen sehen. Und dafür gibt es gute Gründe, denn Autobusse bringen in China neuerdings großes Unglück. Bevorzugt in der Nacht, im Schutze der Dunkelheit. In Kolonnen warten die Busse auf ihre Fahrgäste, die alle nicht freiwillig einsteigen – es sind Transporte in die gefürchtet­en Quarantäne­lager. Oft genügt ein einziges positives CovidTeste­rgebnis, um ein ganzes Stadtviert­el zu evakuieren.

So auch vergangene­s Wochenende in Guiyang, in der Hauptstadt der südchinesi­schen Provinz Guizhou. Einer dieser Busse sollte Bewohner des Bezirkes Yunyan in ein 200 Kilometer entferntes Quarantäne­lager bringen, doch auf der Autobahn überschlug sich der

Bus. 27 der 47 Insassen starben bei diesem Unfall. Das letzte Foto aus einer Überwachun­gskamera zeigt den Busfahrer in einem Ganzkörper­schutzanzu­g samt Augenschut­z: Sein eingeschrä­nktes Gesichtsfe­ld könnte den Unfall ausgelöst haben. ie Nachricht vom Unfall hat in China einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Im Internet konnte der Shitstorm unter dem Motto „Wir sitzen alle in einem Bus!“erst am nächsten Tag von den Zensurbehö­rden einigermaß­en eingedämmt werden. Warum transporti­ert man unschuldig­e Menschen mitten in der Nacht ab – trotz nächtliche­n Fahrverbot­s für Überlandbu­sse? Wer hat den Abtranspor­t veranlasst? Warum Null-Covid? Die Behörden von Guiyang versuchten die Wogen zu glätten, Guiyangs Bürgermeis­ter verneigte sich bei einer Pressekonf­erenz in

DDemut, drei Beamte wurden entlassen. Doch der Zorn der Bevölkerun­g schwelt weiter, richtet sich nicht nur gegen die lokalen Parteifunk­tionäre. Die 6-Millionen-Einwohner-Stadt Guiyang steht seit Wochen wegen weniger Fälle unter Lockdown, die Versorgung der eingesperr­ten Bevölkerun­g klappt mehr schlecht als recht. s besteht der Verdacht, dass in Guiyang CovidFälle und Verdachtsf­älle in aller Eile aus der Stadt transporti­ert werden, um übergeordn­ete Zielvorgab­en zu erfüllen. Zum 20. Parteitag Mitte Oktober hätte die Kommunisti­sche Partei ihrem Führer Xi Jinping gerne ein Null-Covid-Land zu Füßen gelegt. Die regionalen Parteigran­den überbieten sich im Wettlauf um die Gunst des Parteichef­s: Null Covid, null Sorgen! Mit ihrem Abtranspor­t aus Guiyang verschwind­en

EMenschen aus der Covid-Statistik. Aus den Augen, aus dem Sinn, so werden Infizierte und Kontaktper­sonen zur Verschubma­sse im Dienste der Parteikarr­iere. Weitere Autobusse warten in den Ausfallstr­aßen auf ihren nächtliche­n Einsatz.

Am Tag nach dem tödlichen Busunglück meldeten Chinas Staatsmedi­en wie jeden Tag die aktuelle Pandemie-Statistik des Vortages. Demnach gab es in ganz China kein einziges CovidTodes­opfer. Die 27 Toten im Bus wird man wohl nur in der Verkehrsst­atistik finden.

berichtet aus dem Reich der Mitte. Er leitet das ORFKorresp­ondentenbü­ro in Peking.

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