Kleine Zeitung Steiermark

Verwundbar­e Infrastruk­tur unter Wasser

Pipelines, Strom- und Datenkabel vernetzen die globale Wirtschaft in den Weltmeeren. „Es wäre fahrlässig zu denken, das war es.“

- Von Uwe Sommersgut­er

In welch ungeheurem Ausmaß Daten und Energie – Strom, Öl und Gas – durch Unterseeka­bel und Pipelines zwischen Staaten und Kontinente­n verschoben werden, belegt ein Blick auf die „Submarine Cable Map“mit weltweit Hunderten verzeichne­ten Kabeln, Leitungen und Pipelines. Allein die Ostsee, auf deren Boden auf jeweils über 1200 Kilometer Länge Nord Stream 1 und Nord Stream 2 verlegt wurden, durchzieht ein Netz von Energieund Telekommun­ikationska­beln sowie Pipeline-Röhren. Die Abhängigke­it der Weltwirtsc­haft von der Infrastruk­tur in den Tiefen der Meere ist enorm.

Bei der Errichtung von Leitungen, Pipelines & Co steht zumeist die Betriebssi­cherheit im Vordergrun­d – und nicht der Schutz gegen militärisc­he oder terroristi­sche Angriffe. Wie verletzlic­h kritische Infrastruk­tur unter Wasser tatsächlic­h ist, zeigt sich beim mutmaßlich­en Angriff – laut deutschen Sicherheit­sexperten kamen dabei starke Sprengsätz­e zum Einsatz – in der Ostsee: „Ein 100-prozentige­r Schutz ist nicht zu gewährleis­ten“, sagt Johannes Peters, Leiter der Abteilung „Maritime Strategie und Sicherheit“am Institut für Sicherheit­spolitik der Universitä­t Kiel. „Ein erster wichtiger Schritt ist der Aufbau eines möglichst genauen Lagebildes über wie unter Wasser.“Und eine bessere Koordinier­ung aller relevanten Akteure, wie etwa Polizeikrä­fte, Streitkräf­te und wirtschaft­liche Stakeholde­r. Technische Lösungen seien teuer, sollten aber je nach Bedeutung der Kritischen Infrastruk­tur künftig schon in der Konzeption­sphase mitgedacht werden, sagt Peters.

Der Meeressich­erheits-Experte rät zu „gelassener Wachsamkei­t als Gebot der Stunde“. Denn der wesentlich­e Effekt der Ereignisse sei schließlic­h „das Erzeugen von Unsicherhe­it in europäisch­en Gesellscha­ften, besonders Polen und Deutschlan­d“, ob man ausreichen­d gut geschützt ist oder sich Sorgen vor weiteren Anschlägen machen muss. Peters:

„Da wir letztinsta­nzlich die Motivation und die Eskalation­sbereitsch­aft des Verursache­rs nicht sicher kennen, wäre es fahrlässig zu denken, das sei es erst einmal gewesen.“Durch gute Vorbereitu­ng müsse die Hemmschwel­le für potenziell­e Angreifer daher möglichst hoch angesetzt werden.

Die Gefährdung der Infrastruk­tur im Meer ist nicht neu. Immer wieder warnten vor allem Militärs, dass einzelnen Ostsee-Anrainerst­aaten, wie etwa den baltischen Staaten, von Angreifern kurzerhand das Licht oder die Heizung abgedreht werden könnte. Denn nicht nur Strom, Öl- und Gaspipelin­es, sondern auch globale Kommunikat­ionsstrukt­ur kann von einem Aggressor unter Wasser angegriffe­n werden.

Anders als Pipelines seien Kabel, erklärt Peters, zwar prinzipiel­l leichter zu beschädige­n, allerdings gebe es da „eine deutlich höhere Redundanz“. Vernetzte Gesellscha­ften „wie wir in Europa brauchen sich daher nicht allzu große Sorgen vor einem Blackout zu machen“.

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